Marc erzählt:
Vorab möchte ich mich, stellvertretend für uns Beide, für die abnehmende Regelmässigkeit der Blogeinträge entschuldigen. Die Wochen ziehen nur so an uns vorbei und wir erleben einfach zu viele Dinge, dass unsere Gedächtnisse ihre maximale Strapazierfähigkeit schon beinahe erreicht haben. Manchmal diskutieren wir minutenlang darüber, was wir jetzt eigentlich genau Vorgestern getrieben haben und in welchen Club wir nach dem Dinner nun schon wieder gewechselt haben – und Moment, müssen wir morgen nicht zur Schule? Ach nee, es ist ja Sonntag, ich verliere den Überblick – whatever!
Staatstrauer
Die Tage nach dem 12. Mai waren verständlicherweise auch in Shanghai vom Erdbeben in der weit entfernten Sichuan Provinz überschattet. Die Stärke des Bebens führte dazu, dass selbst hier in Shanghai ein kleineres Beben zu spüren war, vor allem wenn man sich in den oberen Stockwerken der Wolkenkratzer befand. Zur Zeit des Bebens befinde ich mich im Zentrum, genauer gesagt auf dem People’s Square, und will soeben die Lobby eines Wolkenkratzers betreten um kurz ins Internet zu gehen. Noch bevor ich das Gebäude betreten kann stürmen mir hunderte von Geschäftsleuten entgegen. Alle rennen raus auf den People’s Square, telefonieren mit ihren Handys und schauen rauf in den Himmel. Ich bin verwirrt. Schaue herum und sehe plötzlich tausende von Menschen auf dem Platz versammelt, die meisten am Handy oder wild am diskutieren. Die Szene erinnert mich schwer an die Bilder des 11. Septembers und ich mache mir allmählich sorgen. Schnell rufe ich Manuel an, der mit Valentina in Xintiandi beim Brunch sitzt und dort von nichts etwas mitbekommen hat. Ich frage das Starbucks-Personal, welche sich ebenfalls auf der Strasse versammelt haben, was denn genau geschehen sei. „Earthquake“ bekomme ich zu hören und frage mich warum denn genau alle in den Himmel starren. Eine Stunde später ist der Spuck dann auch vorüber und die Bürotowers und Shopping-Malls füllen sich wieder. Erst abends im TV realisiere ich die Ausmasse dieser Katastrophe in einigen Teilen Chinas und bin geschockt.
Es folgen Tage der Trauer. China befindet sich im Ausnahmezustand. Die Regierung setzt alles daran, das Desaster möglichst in den Griff zu kriegen und es laufen täglich minutenlange Propagandavideos auf allen Sendern. Es werden drei Tage Staatstrauer ausgerufen und jegliches Entertainement wird für drei Tage gestrichen. Selbst im Chinesisch-Unterricht in der Schule erheben wir uns drei Minuten lang zum Schweigen. Drei grausame Minuten, in denen es mir kalt durch alle Knochen fährt.
Wo de mama, wo de baba…
Rechtzeitig zum Wochenende landen meine Eltern in Shanghai. Die Fahrt vom Pudong Airport ins Stadtzentrum dauert an diesem Freitag beinahe zwei Stunden, da heute die Olympische Flamme durch Shanghai getragen wird. Erschöpft und todmüde fallen meine Eltern an diesem Abend ins Bett, denn es müssen Kräfte getankt werden für die bevorstehende Samstagnacht – die Nacht mit Barbie.
Zum dinner haben wir uns das beste Restaurant der Stadt ausgesucht. Auch für uns ist dies heute, man staune, das erste dinner in diesem Lokal. Das „Sens & Bund“ serviert französische Fusion-Küche feinster Art und besticht vor allem mit seiner unbezahlbaren Lage direkt am Bund und den noch unbezahlbareren Menüpreisen auf der Karte. Was soll’s, wir sind ja mit Barbie hier und die taucht dann auch mit ein wenig Verspätung und in einer „Stella McCartney“ Abendrobe auf, welche ich ihr vergangene Woche im Stella-Showroom ausgesucht habe. Barbie ist natürlich nicht zum ersten Mal hier und die gesamte Kellnerbrigade kennt sie bereits mit Namen. Meine Eltern sind sprachlos, was jedoch vor allem daran liegt, dass die gute Dame praktisch ausschliesslich das Wort hat. Wir kennen nichts anderes und nehmen es gelassen.
Die Nacht hat gerade erst begonnen und so wechseln wir um 10 Uhr rauf in die Bar Rouge. Barbie lässt standesgemäss „Perrier-Jouët“ Champagner und „Grey Goose“ Vodka auffahren und wir tanzen bis in die Morgenstunden. Der VIP-Pavillon ist in dieser Nacht übrigens bereits belegt. Barbie konnte sich dann doch nicht gegen die gesamte Mannschaft von Juventus Turin durchsetzen, welche im Pavillon ausgelassen feiern. Meine Eltern können es kaum fassen, dass also tatsächlich alles wahr ist, was die beiden Jungs hier auf ihrem Blog so schreiben. Manu und mich überrascht nach bald 15 Wochen (Barbie-)Shanghai fast gar nichts mehr.
Die nächsten Tage verbringen wir in den schönsten Restaurants der Stadt, schliesslich muss ich das Niveau von Samstagnacht gegenüber meinen Eltern aufrechterhalten. Das Wetter spielt gegen Ende der Woche allerdings nicht mehr ganz mit und so sehen wir uns einige Male gezwungen, einen Regenschirm vom Strassenhändler für 10 Yuan (CHF 1.50) zu erstehen.
Ein wenig verwirrt, jedoch total beeindruckt von dieser Woche verlassen meine Eltern am Freitag die Stadt wieder in Richtung Thailand – zwei Wochen Erholung stehen auf dem Programm. Wir sind neidisch!
Alltag in Shanghai – kleine Anekdoten
In Shanghai…
- Gibt es Taxifahrer, die einem eine Zigarette anbieten
- Gibt es Taxifahrer, die einem versuchen ans Bein zu fassen und einem mit lasziven Blicken anstarren, worauf man fluchtartig das Taxi verlassen muss um nach einem neuen Ausschau zu halten
- Gibt es Taxifahrer, welche selbst die Polizei anhupen um dann mit 120 an ihnen vorbei zu rasen
- Gibt es wirklich coole Taxifahrer, welche „Wonderwall“ von Oasis laut aufdrehen, sodass man auf dem Rücksitz mitsingen kann
- Gibt es die „Sex and the City – the movie“-DVD bereits zu kaufen, bevor der Film hier überhaupt in den Kinos anläuft
- Gibt es Menschen, welche erst zu den Afterhours (5-9 Uhr Morgens) in den Clubs auftauchen
- Gibt es eine Xintiandi-Bike-Patrol …. Ohne Bikes!
- Gibt es Reinigungskräfte, welche mit ihren schmutzigen Besen Dreck verursachen, an Orten, wo eigentlich vorher sauber war
- Gibt es 20-jährige HongKong-Chinesen, die für ein Wochenende nach Shanghai kommen um hier in den Clubs zu feiern und im „Ritz-Carlton“ oder im „Regent“ residieren
- Gibt es Familien, welche mit ihren Kleinkindern und Säuglingen ins Kino gehen um irgend einen Hollywoodfilm in Englisch mit chinesischen Untertiteln anzuschauen
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1 Kommentar:
heyheyhey party every day:-)
waz up bro?
grüessli aloha gangsta toni
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