Manu erzählt:
Hotel Drama
Gibt es einen besseren Ort als den öffentlichen, um jegliche Selbstkontrolle zu verlieren und ein Drama zu veranstalten? Das Hongsen Hotel scheint ein beliebtes Plätzchen für unkontrollierbare Wutausbrüche zu sein. Der Sonntagabend begann friedlich, doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Wie aus dem Nichts beginnt eine Frau mit krächzender Stimme schreiend ihrem Unmut Luft zu machen. Sie macht keine Pause zwischen den Sätzen. Eine andere Frau stimmt mit ein in den Chorus. Türen werden geschlagen. Durch das Guckloch kann ich beobachten, wie wild diskutiert und gefuchtelt wird. Ein Mann versucht die beiden zu beruhigen, ohne Erfolg. Nach einer halben Stunde bin ich mit meiner Geduld am Ende, öffne die Türe und werde Zeuge, wie die einte Frau im Pyjama versucht das Hotelzimmer dem Erdboden gleich zu machen. Der Mann versucht sie zurückzuhalten, jedoch ohne Erfolg. Er erhebt die Hand gegen sie. Ich war bereit einzugreifen und dem ganzen ein Ende zu setzen. Er schlägt sie jedoch nicht. Stattdessen haben mich die Furien bemerkt. Mein schon beinahe flehend klingendes„could you just cut it,…. please?“ wird ignoriert und wahrscheinlich nicht verstanden. Runde 2. Fräulein 1, mit der Statur und der Grazie von Werner Günthör, schafft es, den grossen Plastikwasserbehälter aus der Halterung zu lösen und ihn mit einem mir durch Mark und Bein fahrenden Schrei quer durchs Zimmer zu schleudern. Fräulein 2, mit Beinen, die an Palastsäulen erinnern, greift in Wrestling-Manier an und setzt zum finalen Punch an. Der Mann kann sie schlussendlich trennen. Fräulein 2 gewinnt nach Punkten, verlässt fuchsteufelswild und fluchend das Zimmer. Ruhe. Endlich. Doch 10 Minuten später, startet Runde 3. Wieder wird gerangelt, geschrien und mit Gegenständen geworfen. Hat hier jemand Valium?
Musikunterricht
Um uns jeweils auf die bevorstehende Chinesischlektionen einzustimmen, spielt unsere verrückte Dozentin jedes Mal denselben chinesischen Song (den Erika natürlich auswendig singt, auch wenn der Song gerade nicht läuft). Da wir dieses Stück Musikgeschichte aufgezwungen bekommen (iuuu liiike siiis sooong?...mmm yeeeeeeeah, i mean…) wollen wir natürlich wissen, was dahinter steckt. Also macht sich die Lehrerin an die Englisch-Übersetzung und überreicht uns diese stolz. Hier ein kleiner Ausschnitt (obwohl das schon fast der ganze Song ist):
„This years a person
Wind crosses and the rain also walk
Have the tear and have the mistake also
Remember what they should uphold
Only a cup of liquor in a lifetime feeling”
Selbstverständlich schwer beeindruckt von dieser überraschend tiefgründigen lyrischen Hochleistung, singen wir nun jedes mal lauthals mit. Erika freut es.
What the hell?
Die Woche begann mit unerfreulichen Neuigkeiten, einem Gerücht, dass besagte, dass ausländische Studenten das Land verlassen müssten. In Untergangsstimmung sahen wir uns schon die Zelte abbrechen und die Fahnen einrollen. Durch Recherchen im Internet erfuhren wir dann, dass, trotz vom Staat gegenteilig behauptenden Aussagen, keine Multiple-entry-Visas mehr ausgestellt würden. Diese Tatsache macht uns einen Strich durch unsere Rechnung, da wir ein nur 3-Monatsvisum beantragt haben und vor dessen Ablauf in Hong Kong ein Multiple-entry-Visum erstellen wollten um nach Belieben ein-und ausreisen zu können. Wir mussten also sichergehen, in zwei Wochen ein Visum in Hong Kong zu bekommen, sei es nur ein single-entry-visa, oder andernfalls unseren schon bezahlten Hong Kong- Trip abzublasen. Nach nervenaufreibenden organisatorischen Massnahmen und mehreren Telefonaten mit Visa-agencys in Hong Kong, sind wir jetzt ziemlich sicher, ein 1-Monatsvisum zu bekommen, andernfalls können wir von Hong Kong nicht mehr nach Shanghai einreisen, was katastrophale Folgen hätte. Zurück von Hong Kong müssen wir jeden Monat ein neues Visum lösen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Der Grund für diese neuen Restriktionen seien anscheinend die Olympischen Spiele und die damit verbunden Terrorgefahr.
Be my Guess
Am Freitag, nach Schulschluss, wurden wir von unserer Chinesisch-Lehrerin „Wolke im Morgenrot“ in ein Chinesisches Restaurant eingeladen. Verschiedene, noch nie gesehene und vorher noch nie gekostete (und besser niemals gekostete) Spezialitäten wurden serviert. Kellner liefen mit lebenden Schildkröten herum, präsentierten sie den Gästen wie eine Flasche Wein an den Tischen, bevor sie dann mit ihnen in der Küche verschwanden. Armer Donatello. Nach etwa einem Hektoliter Tsingtao-Bier, verabschiedeten wir uns zwischenzeitlich von unseren dänischen Mitstudenten um dann einen kurzen Zwischenstop im Hotel einzulegen, bevor dann die „hed kendy“-Party in der Bar Rouge auf uns wartete. Wir treffen Demoiselle Flamboyant und ihre Freunde, sowie drei von unseren dänischen Kollegen, Hans, Marco und Jens. Die Jungs sind ein halbes Jahr länger da wie wir, scheinen aber immer noch nicht genug vom Nachtleben in Shanghai zu haben. Wir treffen Steven, ein Freund von Steven (der immer beduselt schreit: „you got to drink mooore“) , der wiederum Carol’s …whatever. Mittlerweile kennen wir etwa vier Carols und drei Stevens. Dieser besagte Steven jedenfalls arbeitet für ESPN uns lädt uns zu den X-games in Shanghai ein nächstes Wochenende. Gerade im Gespräch, wird mir plötzlich schwindlig, Schweissausbrüche folgen. Irgendetwas hat mir den Magen verdorben, was für mich zu einem abrupten Ende des Abends führt. Leicht hechelnd und bleich verabschiede ich mich und mache mich auf den Heimweg, ahnend, dass eine ziemlich unangenehme Nacht folgen würde. Marc und Jens erteilt am nächsten Morgen das gleiche Schicksal. Eventuell war es der Mix aus Tsingtao-Bier, Chilli, irgendwelchen unbekannten scharfen Algen, Eiern, Dom Pérignon und Melonenschnitze.
Den Samstag verbrachten wir, keinen Finger rührend und saftschlürfend, in der angenehmen Frühlingssonne auf dem belebten Vorplatz des Starbucks in Xintiandi. Am Abend waren wir zur Backstage-Party von Guess, dem bekannten Fashion-Brand, im Club Volar eingeladen. Nach einem kulinarischen Abstecher im Azul (in dem uns eine Inderin aus Schweden in perfektem Züridütsch anspricht!?) gesellten wir uns zur eingeladenen Gesellschaft, die schon ungeduldig auf die bevorstehende Fashion-Show wartete. Fotografen und Kameramänner schwirrten geduckt durch die spärlich beleuchteten Räume des Volars, bereit für die grosse Show. Wir nahmen unseren Platz an einem Tisch in der vordersten Reihe ein (Wir sind uns schon gar nichts mehr anderes gewohnt). Nach einem „kleinen“ apéritif starete die Show. Zwei männliche und zwei weibliche Models führten posensicher die neue Jeans-Kollektion im Blitzgewitter vor. Nach der Show wird getanzt und getrunken, ein chinesischer Dj legt Hip Hop auf. Um 4 Uhr morgens verlassen wir müde das Volar. Im Hongsen Hotel hat man schon zu arbeiten begonnen. Die Rezeptionsdame in voll montierter Uniform hat noch ein mitfühlendes Lächeln für uns übrig. Guet Nacht am sächsi.
Am heiligen Sonntag um zwölf Uhr, in aller Herrgottsfrüh also, war es dann Assuncion, ungehalten an die Tür pochend und mit lautem Getöse in mein Zimmer einfallend, die mich, ohne Rücksicht auf Verluste, aus meinen Träumen riss. Sie sollte uns langsam kennen, nach all den Sonntagen, die wir noch nie früh begonnen hatten. Nach einem quengelnden, grunzenden Laut meinerseits, zog sie sich glücklicherweise wieder zurück. Ein paar Minuten später zischten Feuerwerksraketen durch die Luft, dessen knallende Laute natürlich durch die undichten Fenstern meines Zimmers drangen. Ok, ich bin ja wach.
Playing pool mit unseren dänischen Kollegen
Montag, 28. April 2008
Montag, 21. April 2008
Marc erzählt:
Ein Anruf genügt…
Aufgrund des positiven Ergebnisses meines letzten Coiffeurbesuchs hier in Shanghai, steuere ich erneut zielsicher auf den hair-saloon von „Jimmy dem Cowboy“ am People’s Square zu. Leider finde ich bloss eine Baustelle vor und der Friseurmeister erklärt mir, dass der Salon bis Mitte April geschlossen bleibt und danach an einem neuen Ort wiedereröffnet wird.
Ich kann aber auf keinen Fall so lange warten, ich sehe jetzt schon bald aus wie Reinhold Messner. Typisch Shanghai, denke ich. Jede Woche eine neue Situation und auf nichts kann man sich verlassen, alles ändert hier im Wochentakt. Never mind, ich versuche einfach mein Glück bei Barbie, die wird mir schon weiterhelfen könnenJ. Ich rufe die Grande-Dâme des leichten Lebens auf ihrem Handy an und erläutere ihr meine verzwickte Situation. Das sei gar kein Problem, sie rufe mich in 15 Minuten zurück, ich soll bleiben wo ich bin. Eine Viertelstunde später also gibt Barbie mir die Anweisung mich so schnell wie nur möglich ins „ISETAN“ Shopping Mall zu begeben um dort den „EXY hair-saloon“ aufzusuchen. Mr. Cai (der Boss, of course) hat zwar keinen Termin mehr frei heute, aber für Barbie’s Freunde macht er gerne mal eine Ausnahme und schneidet mir die Haare zwischen zwei Terminen. Die Situation ist mir zwar unangenehm, aber jede Widerrede zwecklos. Kurz darauf werde ich bei „EXY“ erwartet und man begrüsst mich mit Namen. Mr. Cai nimmt telefonisch die Anweisungen von Barbie entgegen, welche ich ihr zuvor mitgeteilt habe und schneidet mir die Haare dementsprechend. Eine Assistentin kümmert sich natürlich auch noch um die bekannte Kopfmassage und wäscht mir die Haare ungefähr zweihundertfünfzig Mal. Frisch gestylt und überglücklich verlasse ich den Friseursalon. So einfach kann das Leben sein.
Szenen des Alltags
Weniger glamourös, dafür umso spannender, geht es jeweils in unserer niedlichen Quartierstrasse, der „Min Xing Lu“ zu und her. Die Szenen, welche sich hier tagsüber wie auch abends bieten, sind einfach unvergleichlich.
Nebst dem „Zerstörer“ (wir nehmen sie übrigens mit nach Hause!) und den anderen skurrilen Figuren unseres Hotels, bietet sich der kleine Laden gleich um die Ecke ebenfalls als Paradebeispiel an. Das winzige Lokal erreicht man durch eine Öffnung, an welcher keine Tür, sondern eine schmutzige, blaue Bettdecke angebracht ist. Das Sortiment des Shops ist nicht gerade herausragend und so wird das Lokal auch oft bloss als Durchgang benutzt um auf die andere Seite des Innenhofes zu gelangen, in dem sich eine Schule befindet. Das Besitzerehepaar, zwei steinalte Gestalten, welche beide noch sämtliche chinesische Dynastien miterlebt haben dürften, scheint dies wenig zu kümmern. Der ältere Herr ist stets mit irgendwelchen Reparaturarbeiten beschäftigt und verfügt über die Reaktionszeit eines schlafenden Koalabärs. Die Besitzerin sitzt aufmerksam vor einem TV-Gerät Marke Kommunismus, welcher mitten im Shop auf einem Holzstuhl platziert wurde und aus dem in voller Lautstärke das Geheul irgendeiner chinesischen Seifenoper ertönt. Die gute Frau ist meist so auf den Fernseher fixiert, dass man schon mal gut fünf Minuten an der Theke stehen kann, bis sie sich um die Kundschaft kümmert. Ganz zu schweigen vom Koalabär, der seinerseits sowieso mehr als fünf Minuten bis zur Theke gebrauchen würde. Nebst dem Ehepaar leben auch noch ungefähr fünfzig Katzen im Laden, was nicht unbedingt zur Attraktivität des Shops beiträgt (vor allem wenn man Katzen nicht ausstehen kann, wie ich, diese Mistviecher – hä-häm, Entschuldigung!). Wie lange wäre wohl ein Laden dieser Art in der Schweiz geöffnet? Wahrscheinlich keinen einzigen Tag. Dafür lieben wir Shanghai, die Gegensätze könnten krasser nicht sein.
Kann mich mal eben jemand in den Arm kneifen, BITTE?
Ok, Barbie hat uns nun doch schon einige male beinahe aus der Bahn geworfen mit ihren extravaganten und an Dekadenz unübertreffbaren Aktionen. Moment, „unübertreffbar“? Yeah right! Weit gefehlt…
Freitagabend war ich tatsächlich ein wenig enttäuscht von unserer Diva. Vor einer Woche hatte sie mir nämlich versprochen, mich zu einer Veranstaltung von „Vogue Men“ mitzunehmen – „dresscode formal“. Ich hatte meinen Anzug bereits aus der Kleiderhülle gepackt und bereitgelegt, als Barbie sich kurzfristig entschlossen hatte doch nicht hinzugehen. Sie habe keine Lust auf einige Freunde, welche dort ebenfalls aufkreuzen würden. Na gut, ein Abend zu Hause kann für einmal auch nicht schadenJ.
Die Wiedergutmachung folgte dann am Samstag. Um 8 Uhr verabreden wir uns mit ihr zum dinner in einem Restaurant namens „South Beauty“. Eine ein wenig in die Jahre gekommene Filmschönheit aus Hong Kong hat sich der, vor allem durch ihre scharfen Gerichte bekannte, Küche aus der Sichuan Provinz Südwestchinas verschrieben. Die Schauspielerin und Besitzerin der Kette legt ausserdem auch viel wert auf Innendekoration und striktes „Feng Shui“ nach alter chinesischer Tradition. Das scheint offenbar Geld zu kosten, denn die Preise auf dem „Menu“ befinden sich eher im obersten Segment. Uns muss das wie immer wenig kümmern.
Barbie hat heute noch eine alte Bekannte mit im Schlepptau. Tina, so ihr Name, haben wir bereits vor einigen Wochen kennen gelernt. Eine eher zurückhaltende, dafür umso elegantere Persönlichkeit, welche als Redakteurin für die chinesische „Mode Weekly“ tätig ist. Beim verlassen des Restaurants zieht Barbie einmal mehr sämtliche Blicke auf sich. Mit erhobenem Haupt und bestimmten Schritten steuert sie in ihrer „flamboyeusen“ Abendkreation von Dior auf den Ausgang zu, wo bereits der Taxichauffeur wartet (den sie übrigens dafür bezahlt hat, die ganze Zeit draussen zu warten – es regnet, man will kein Taxi suchen!). Die Fahrt führt uns direkt vor den Eingang der BarRouge. Heute steht das Haus unter dem stupiden Motto „F*** me, I’m famous“. Na gut, das Partylabel ist weltberühmt und David Guetta steht am DJ-Pult, man kann über diesen Namen hinwegsehen. Der Star-DJ aus Paris lockt dann auch die Massen in die eher kleinliche BarRouge und so hatten mehr als 2000 Partywillige für diese Nacht versucht einen Tisch im Club zu reservieren (ein Tisch, der Heute Nacht übrigens doppelt so teuer ist als üblich – kurz und gut knapp 1500 Franken, ohne Getränke). Barbie hat keinen Tisch reserviert, nein, wir beziehen den VIP-Pavillon auf der Terrasse. Ein mit roten Samtsofas und schwarzen Marmortischchen dekorierter Pavillon mit Blick auf die grosse Terrasse und die Skyline von Pudong. Ok, it doesn’t get any cooler than this! Schon jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher ob das hier vielleicht doch nur ein kleines Träumchen ist!? Flaschen werden aufgefahren, aus den Boxen im Pavillon erklingt die gleiche Musik wie im Club drinnen. Die BarRouge füllt sich, selbst die Terrasse, noch feucht vom anfänglichen Nieselregen, ist vollbesetzt mit hunderten von Menschen. Barbies Freunde kommen an, die meisten kennen wir bereits. Wir treffen drei junge Engländer, welche von Barbie spontan die Erlaubnis erhalten, sich ebenfalls in den Pavillon zu gesellen. Es wird getrunken. David Guetta legt nun auf. Der Club platzt aus allen Nähten. Barbie organisiert einen Bodyguard, welcher die Gäste des privaten Pavillons auf die Toiletten und zurück eskortiert. Auf dem Weg zurück von den Toiletten sehe ich ein mir bekanntes Gesicht auf dem Sofa sitzen. Moment…das ist doch, ja, das ist JAMES BLUNT! Ich sage kurz „Hi, James“ – der Bodyguard macht ein Photo von uns mit meinem iPhone und weiter geht’s wieder nach draussen. Jetzt fehlt nur noch Paris Hilton, denke ich mir beim zurückwaten, aber wir wollen ja mal nicht übertreiben. Die Party geht weiter, unsere Freunde aus London haben ihrerseits auch wieder Freunde mit in den Pavillon geschleppt. Man wohnt in San Francisco, in Paris, in Sydney, in Tokyo, in Fislisbach und Oberentfelden. Wir tanzen bis 6 Uhr morgens.
Zurück im Hotel betrachte ich die Schnappschüsse der Nacht, während draussen in der „Min Xing Lu“ die Strassenküchen Frühstück zubereiten. Oh my…
Weitere Highlights der Woche:
„Sihatsu“-Massage gefolgt von drei Tagen Muskelkater – warum müssen diese Masseusen bloss immer so auf einem herumstampfen!? / Besuch der „50 Moganshan Road Art Street“, ein Komplex bestehend aus einigen heruntergekommenen Fabrikbauten, in welchen sich die Kunstszene Shanghais eingenistet hat. Hier erhält man einen anderen Blickwinkel der Stadt und wir sind erstaunt, was für eine Plattform die Kunstszene hier in Shanghai erhält.
Ein Anruf genügt…
Aufgrund des positiven Ergebnisses meines letzten Coiffeurbesuchs hier in Shanghai, steuere ich erneut zielsicher auf den hair-saloon von „Jimmy dem Cowboy“ am People’s Square zu. Leider finde ich bloss eine Baustelle vor und der Friseurmeister erklärt mir, dass der Salon bis Mitte April geschlossen bleibt und danach an einem neuen Ort wiedereröffnet wird.
Ich kann aber auf keinen Fall so lange warten, ich sehe jetzt schon bald aus wie Reinhold Messner. Typisch Shanghai, denke ich. Jede Woche eine neue Situation und auf nichts kann man sich verlassen, alles ändert hier im Wochentakt. Never mind, ich versuche einfach mein Glück bei Barbie, die wird mir schon weiterhelfen könnenJ. Ich rufe die Grande-Dâme des leichten Lebens auf ihrem Handy an und erläutere ihr meine verzwickte Situation. Das sei gar kein Problem, sie rufe mich in 15 Minuten zurück, ich soll bleiben wo ich bin. Eine Viertelstunde später also gibt Barbie mir die Anweisung mich so schnell wie nur möglich ins „ISETAN“ Shopping Mall zu begeben um dort den „EXY hair-saloon“ aufzusuchen. Mr. Cai (der Boss, of course) hat zwar keinen Termin mehr frei heute, aber für Barbie’s Freunde macht er gerne mal eine Ausnahme und schneidet mir die Haare zwischen zwei Terminen. Die Situation ist mir zwar unangenehm, aber jede Widerrede zwecklos. Kurz darauf werde ich bei „EXY“ erwartet und man begrüsst mich mit Namen. Mr. Cai nimmt telefonisch die Anweisungen von Barbie entgegen, welche ich ihr zuvor mitgeteilt habe und schneidet mir die Haare dementsprechend. Eine Assistentin kümmert sich natürlich auch noch um die bekannte Kopfmassage und wäscht mir die Haare ungefähr zweihundertfünfzig Mal. Frisch gestylt und überglücklich verlasse ich den Friseursalon. So einfach kann das Leben sein.
Szenen des Alltags
Weniger glamourös, dafür umso spannender, geht es jeweils in unserer niedlichen Quartierstrasse, der „Min Xing Lu“ zu und her. Die Szenen, welche sich hier tagsüber wie auch abends bieten, sind einfach unvergleichlich.
Nebst dem „Zerstörer“ (wir nehmen sie übrigens mit nach Hause!) und den anderen skurrilen Figuren unseres Hotels, bietet sich der kleine Laden gleich um die Ecke ebenfalls als Paradebeispiel an. Das winzige Lokal erreicht man durch eine Öffnung, an welcher keine Tür, sondern eine schmutzige, blaue Bettdecke angebracht ist. Das Sortiment des Shops ist nicht gerade herausragend und so wird das Lokal auch oft bloss als Durchgang benutzt um auf die andere Seite des Innenhofes zu gelangen, in dem sich eine Schule befindet. Das Besitzerehepaar, zwei steinalte Gestalten, welche beide noch sämtliche chinesische Dynastien miterlebt haben dürften, scheint dies wenig zu kümmern. Der ältere Herr ist stets mit irgendwelchen Reparaturarbeiten beschäftigt und verfügt über die Reaktionszeit eines schlafenden Koalabärs. Die Besitzerin sitzt aufmerksam vor einem TV-Gerät Marke Kommunismus, welcher mitten im Shop auf einem Holzstuhl platziert wurde und aus dem in voller Lautstärke das Geheul irgendeiner chinesischen Seifenoper ertönt. Die gute Frau ist meist so auf den Fernseher fixiert, dass man schon mal gut fünf Minuten an der Theke stehen kann, bis sie sich um die Kundschaft kümmert. Ganz zu schweigen vom Koalabär, der seinerseits sowieso mehr als fünf Minuten bis zur Theke gebrauchen würde. Nebst dem Ehepaar leben auch noch ungefähr fünfzig Katzen im Laden, was nicht unbedingt zur Attraktivität des Shops beiträgt (vor allem wenn man Katzen nicht ausstehen kann, wie ich, diese Mistviecher – hä-häm, Entschuldigung!). Wie lange wäre wohl ein Laden dieser Art in der Schweiz geöffnet? Wahrscheinlich keinen einzigen Tag. Dafür lieben wir Shanghai, die Gegensätze könnten krasser nicht sein.
Kann mich mal eben jemand in den Arm kneifen, BITTE?
Ok, Barbie hat uns nun doch schon einige male beinahe aus der Bahn geworfen mit ihren extravaganten und an Dekadenz unübertreffbaren Aktionen. Moment, „unübertreffbar“? Yeah right! Weit gefehlt…
Freitagabend war ich tatsächlich ein wenig enttäuscht von unserer Diva. Vor einer Woche hatte sie mir nämlich versprochen, mich zu einer Veranstaltung von „Vogue Men“ mitzunehmen – „dresscode formal“. Ich hatte meinen Anzug bereits aus der Kleiderhülle gepackt und bereitgelegt, als Barbie sich kurzfristig entschlossen hatte doch nicht hinzugehen. Sie habe keine Lust auf einige Freunde, welche dort ebenfalls aufkreuzen würden. Na gut, ein Abend zu Hause kann für einmal auch nicht schadenJ.
Die Wiedergutmachung folgte dann am Samstag. Um 8 Uhr verabreden wir uns mit ihr zum dinner in einem Restaurant namens „South Beauty“. Eine ein wenig in die Jahre gekommene Filmschönheit aus Hong Kong hat sich der, vor allem durch ihre scharfen Gerichte bekannte, Küche aus der Sichuan Provinz Südwestchinas verschrieben. Die Schauspielerin und Besitzerin der Kette legt ausserdem auch viel wert auf Innendekoration und striktes „Feng Shui“ nach alter chinesischer Tradition. Das scheint offenbar Geld zu kosten, denn die Preise auf dem „Menu“ befinden sich eher im obersten Segment. Uns muss das wie immer wenig kümmern.
Barbie hat heute noch eine alte Bekannte mit im Schlepptau. Tina, so ihr Name, haben wir bereits vor einigen Wochen kennen gelernt. Eine eher zurückhaltende, dafür umso elegantere Persönlichkeit, welche als Redakteurin für die chinesische „Mode Weekly“ tätig ist. Beim verlassen des Restaurants zieht Barbie einmal mehr sämtliche Blicke auf sich. Mit erhobenem Haupt und bestimmten Schritten steuert sie in ihrer „flamboyeusen“ Abendkreation von Dior auf den Ausgang zu, wo bereits der Taxichauffeur wartet (den sie übrigens dafür bezahlt hat, die ganze Zeit draussen zu warten – es regnet, man will kein Taxi suchen!). Die Fahrt führt uns direkt vor den Eingang der BarRouge. Heute steht das Haus unter dem stupiden Motto „F*** me, I’m famous“. Na gut, das Partylabel ist weltberühmt und David Guetta steht am DJ-Pult, man kann über diesen Namen hinwegsehen. Der Star-DJ aus Paris lockt dann auch die Massen in die eher kleinliche BarRouge und so hatten mehr als 2000 Partywillige für diese Nacht versucht einen Tisch im Club zu reservieren (ein Tisch, der Heute Nacht übrigens doppelt so teuer ist als üblich – kurz und gut knapp 1500 Franken, ohne Getränke). Barbie hat keinen Tisch reserviert, nein, wir beziehen den VIP-Pavillon auf der Terrasse. Ein mit roten Samtsofas und schwarzen Marmortischchen dekorierter Pavillon mit Blick auf die grosse Terrasse und die Skyline von Pudong. Ok, it doesn’t get any cooler than this! Schon jetzt bin ich mir nicht mehr ganz sicher ob das hier vielleicht doch nur ein kleines Träumchen ist!? Flaschen werden aufgefahren, aus den Boxen im Pavillon erklingt die gleiche Musik wie im Club drinnen. Die BarRouge füllt sich, selbst die Terrasse, noch feucht vom anfänglichen Nieselregen, ist vollbesetzt mit hunderten von Menschen. Barbies Freunde kommen an, die meisten kennen wir bereits. Wir treffen drei junge Engländer, welche von Barbie spontan die Erlaubnis erhalten, sich ebenfalls in den Pavillon zu gesellen. Es wird getrunken. David Guetta legt nun auf. Der Club platzt aus allen Nähten. Barbie organisiert einen Bodyguard, welcher die Gäste des privaten Pavillons auf die Toiletten und zurück eskortiert. Auf dem Weg zurück von den Toiletten sehe ich ein mir bekanntes Gesicht auf dem Sofa sitzen. Moment…das ist doch, ja, das ist JAMES BLUNT! Ich sage kurz „Hi, James“ – der Bodyguard macht ein Photo von uns mit meinem iPhone und weiter geht’s wieder nach draussen. Jetzt fehlt nur noch Paris Hilton, denke ich mir beim zurückwaten, aber wir wollen ja mal nicht übertreiben. Die Party geht weiter, unsere Freunde aus London haben ihrerseits auch wieder Freunde mit in den Pavillon geschleppt. Man wohnt in San Francisco, in Paris, in Sydney, in Tokyo, in Fislisbach und Oberentfelden. Wir tanzen bis 6 Uhr morgens.
Zurück im Hotel betrachte ich die Schnappschüsse der Nacht, während draussen in der „Min Xing Lu“ die Strassenküchen Frühstück zubereiten. Oh my…
Weitere Highlights der Woche:
„Sihatsu“-Massage gefolgt von drei Tagen Muskelkater – warum müssen diese Masseusen bloss immer so auf einem herumstampfen!? / Besuch der „50 Moganshan Road Art Street“, ein Komplex bestehend aus einigen heruntergekommenen Fabrikbauten, in welchen sich die Kunstszene Shanghais eingenistet hat. Hier erhält man einen anderen Blickwinkel der Stadt und wir sind erstaunt, was für eine Plattform die Kunstszene hier in Shanghai erhält.
Dienstag, 15. April 2008
Manu erzählt:
Family in Shanghai
The Benz family has arrived, mit Sack und Pack. Bestehend aus meinen Eltern, meinen zwei jüngeren Brüdern und meiner kleinen Schwester. Nach ein paar Tagen in Peking besuchen sie uns für ein Wochenende in Shanghai, bevor sie dann weiter mit dem Zug nach Guilin reisen. Wir holen sie am Donnerstag Morgen vom Flughafen ab. Nach dem Einchecken im Radisson Hotel steuern wir in Richtung Jinmao-Tower. In schwindelerregenden 340m Höhe bietet sich ein fantastischer Blick auf Shanghai (falls der Smog die Sicht nicht verhindert). Der Jinmao-Tower ist eines der spektakulärsten Gebäude in Shanghai und dient als Office-Building. „No climbing“- Schilder am Fusse des Towers wurden aufgestellt, nachdem ein Schuhverkäufer im 2001 versucht hat, den Turm zu besteigen. Am Abend gibt’s ein grosse Familienessen im People 7, einem der coolsten Restaurants der Stadt. Die dunkel gekleideten ninja-ähnlichen Kellner servieren Chicken-Hotpots und Qintaobier. Nach einem Drink im CJW, einer Bar zuoberst im West-Inn-Hotel, geht’s zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen besuchen wir, mit Kameras bewaffnet, die wunderschönen Yuyuan-Gardens, welche eine Vielfalt an Pflanzen und Steinformationen bieten. Neben den Gärten befindet sich ein taoistischer Tempel, den wir nicht auslassen. Der Taoismus ist eine der ältesten Religionen Chinas. Er soll nach chinesischer Legende um 2700 v.Chr. vom gelben Kaiser gegründet worden sein. Tao ist der Weg oder das kosmische Prinzip, nach dem man zu leben zielt. Das Wirken des Tao bringt die Schöpfung hervor durch Yin und Yang, Licht und Schatten, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen die Welt erschaffen wird. Um die umzäunten Gärten schlängeln sich viele kleine, belebte Strässchen und Gassen, in denen Hochbetrieb herrscht. Es wird auf der Strasse gekocht (Schweineköpfe, Tintenfische, Nudelgerichte, frisches Brot, Vögel, eigentlich alles was keucht und fleucht), gehandelt, gespielt, gestritten. Hausfrauen hängen ihre Wäsche zum Trocknen auf. Neben der Wäsche hängen Schweinerippen. Nicht weit entfernt finden wir ein Gebäude mit grossen Bildschirmen, auf denen aktuelle Aktienkurse verfolgt werden. Omis und Opas sitzen davor, stricken Pullover, diskutieren und beobachten gespannt die Aktienkurse. An den daneben stehenden Computer wird gekauft und verkauft. Jung und Alt sind im Börsenfieber. Wir sind wieder die Hauptattraktion und unterhalten uns mit zwei alten Herren in chinenglisch, die über die sinkenden Kurse wettern. Am Abend steht thailändisches Essen im Simply Thai auf dem Programm. Natürlich darf eine Party in der Bar Rouge auch nicht fehlen. Barbie (die, wie wir herausgefunden haben, 31 Jahre alt ist, einen 9 jährigen Sohn hat und deren Lieblingssatz „you know, money is not the problem, but time..“ ist) organisiert die zwei besten Tische und wieder haben wir VIP-Status. Es werden uns Kellner zugeteilt, die den ganzen Abend nicht von unserer Seite weichen. Natürlich erscheint sie auch - gerade vom Celine Dion – Konzert - wieder in flamboyanter Aufmachung. Im Schlepptau ihre Freunde, darunter der Marketingchef von Lacoste in Shanghai, mit dem ich mich auf französisch unterhalte (was für eine Herausforderung nach ein paar Drinks). Wir werden dem Manager der Bar vorgestellt (natürlich ein Freund von ihr). Wir lassen es krachen und tanzen bis 5 Uhr morgens zur dröhnenden House-Music. 3 Flaschen Vodka, 1 Flasche Champagner und etwa 2000 Melonenschnitze später verlassen wir ziemlich angeheitert die Bar. Der Taxifahrer muss uns wecken und die Dame an der Rezeption erschrickt an unserem Anblick. Nach ein paar Stunden Schlaf müssen wir unser Verhandlungskönnen auf dem Fake market beweisen. Wir werden von einem geldwitternden, kurz gewachsenen Chinesen durch die Läden geführt. Der Fake market besteht aus mehreren Gebäuden, in denen billige, gefälschte Ware verkauft wird. T-Shirts, Sonnenbrillen, Gürtel, Unterwäsche, Hosen etc.. Einfach alles wird kopiert und billig verkauft. Meistens ist es möglich den erstgebotenen Preis auf einen Fünftel runter zu handeln. Falls der Verkäufer nicht auf den Preis eingehen will, laufen wir weg. Natürlich werden wir zurückgehalten und es wird weiter verhandelt. Wir handeln Calvin Klein Unterhosen von ursprünglich geforderten 60 Yuan auf 12 Yuan (CHF 1.75) hinunter. Hartnäckigkeit macht sich bezahlt. Der kleine Chinese hat sich mittlerweile enttäuscht vom Acker gemacht und sich wahrscheinlich nach gutgläubigeren Touristen umgesehen. Am Abend dinieren wir im wunderschönen, indischen Restaurant Hazara (very spicy). Nach einem kurzen Zmorge an der überfüllten Nanjing Road am nächsten Morgen verabschieden wir meine Familie, die jetzt eine 20-stündige Zugfahrt vor sich hat. Am Abend treffen wir uns noch mit Jerry (Barbie’s friend) und seiner Begleitung Vicky im Haiku, einem wunderschönen japanischen Restaurant um das beste Sushi der Stadt zu probieren. Veeery guuuud.
In China…(gelesen in „China“ von James Kynge)
..erschien der sechste Harry-Potter-Band noch bevor J.K. Rowling ihn überhaupt geschrieben hatte. Als das Original erschien, wurden Übersetzungen online verkauft. Einige Übersetzer, die mit dem Schluss des Buches nicht zufrieden waren, schrieben ihren eigenen Schluss.
...werden ca. 56% aller Selbstmorde von Frauen weltweit begangen. Ein altes Sprichwort besagt hier: „Eine Frau heiratet nach draussen, so wie Abwasser aus dem Haus geschüttet wird“. Dort wird von ihr erwartet, dass sie für alle Männer in der Familie arbeitet und ihnen gehorsam ist. In den Städten haben sich diese Hierarchien gelockert, auf dem Land scheint diese Struktur immer noch Bestand zu haben.
…leben schätzungsweise 700 Millionen (von insgesamt 1.3 Milliarden) von weniger als 2 Dollar am Tag. Dies schafft eine Unmenge an Arbeitskräfte, die bereit sind, für vorindustrielle Löhne zu arbeiten. Die daraus resultierende Produktivität ist spektakulär. Ein Grund für die Wettbewerbsfähigkeit Chinas ist diese Verbindung zwischen billigen Arbeitskräften und hochmodernen Produktionsanlagen.
…gibt es kein wirksames Konkursgesetz. Daher ist die Liquidation insolventer Firmen schwierig. Viele Firmen stecken im Sumpf der Überproduktion. Bei fast allen Produkten herrscht ein Überangebot. Und trotzdem wird das Sortiment in den meisten Fällen erweitert. Die Banken unterstützen dies, weil sie erstens im Geld schwimmen (Chinesen sparen durchschnittlich 40% ihres Einkommens) und zweitens kommt es ihnen nur darauf an, dass die Firmen grösser und mächtiger werden.
…findet man Läden wie Gussi (Gucci), New Crocodile (Lacoste), Dunbaolu (Dunhill), Woershaqi (Versace), Haagendess (Hägendazs; sie verkaufen aber Ledertaschen!?)
Gemäss Prognosen wird China, bei gleich bleibendem Anstieg der Wirtschaft, schätzungsweise im Jahr 2040 die USA als grösste Wirtschaftsmacht der Welt überholen.
Unsere verrückte Chinesisch-Dozentin
In der Schule wird geschlafen....
Family in Shanghai
The Benz family has arrived, mit Sack und Pack. Bestehend aus meinen Eltern, meinen zwei jüngeren Brüdern und meiner kleinen Schwester. Nach ein paar Tagen in Peking besuchen sie uns für ein Wochenende in Shanghai, bevor sie dann weiter mit dem Zug nach Guilin reisen. Wir holen sie am Donnerstag Morgen vom Flughafen ab. Nach dem Einchecken im Radisson Hotel steuern wir in Richtung Jinmao-Tower. In schwindelerregenden 340m Höhe bietet sich ein fantastischer Blick auf Shanghai (falls der Smog die Sicht nicht verhindert). Der Jinmao-Tower ist eines der spektakulärsten Gebäude in Shanghai und dient als Office-Building. „No climbing“- Schilder am Fusse des Towers wurden aufgestellt, nachdem ein Schuhverkäufer im 2001 versucht hat, den Turm zu besteigen. Am Abend gibt’s ein grosse Familienessen im People 7, einem der coolsten Restaurants der Stadt. Die dunkel gekleideten ninja-ähnlichen Kellner servieren Chicken-Hotpots und Qintaobier. Nach einem Drink im CJW, einer Bar zuoberst im West-Inn-Hotel, geht’s zurück ins Hotel. Am nächsten Morgen besuchen wir, mit Kameras bewaffnet, die wunderschönen Yuyuan-Gardens, welche eine Vielfalt an Pflanzen und Steinformationen bieten. Neben den Gärten befindet sich ein taoistischer Tempel, den wir nicht auslassen. Der Taoismus ist eine der ältesten Religionen Chinas. Er soll nach chinesischer Legende um 2700 v.Chr. vom gelben Kaiser gegründet worden sein. Tao ist der Weg oder das kosmische Prinzip, nach dem man zu leben zielt. Das Wirken des Tao bringt die Schöpfung hervor durch Yin und Yang, Licht und Schatten, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen die Welt erschaffen wird. Um die umzäunten Gärten schlängeln sich viele kleine, belebte Strässchen und Gassen, in denen Hochbetrieb herrscht. Es wird auf der Strasse gekocht (Schweineköpfe, Tintenfische, Nudelgerichte, frisches Brot, Vögel, eigentlich alles was keucht und fleucht), gehandelt, gespielt, gestritten. Hausfrauen hängen ihre Wäsche zum Trocknen auf. Neben der Wäsche hängen Schweinerippen. Nicht weit entfernt finden wir ein Gebäude mit grossen Bildschirmen, auf denen aktuelle Aktienkurse verfolgt werden. Omis und Opas sitzen davor, stricken Pullover, diskutieren und beobachten gespannt die Aktienkurse. An den daneben stehenden Computer wird gekauft und verkauft. Jung und Alt sind im Börsenfieber. Wir sind wieder die Hauptattraktion und unterhalten uns mit zwei alten Herren in chinenglisch, die über die sinkenden Kurse wettern. Am Abend steht thailändisches Essen im Simply Thai auf dem Programm. Natürlich darf eine Party in der Bar Rouge auch nicht fehlen. Barbie (die, wie wir herausgefunden haben, 31 Jahre alt ist, einen 9 jährigen Sohn hat und deren Lieblingssatz „you know, money is not the problem, but time..“ ist) organisiert die zwei besten Tische und wieder haben wir VIP-Status. Es werden uns Kellner zugeteilt, die den ganzen Abend nicht von unserer Seite weichen. Natürlich erscheint sie auch - gerade vom Celine Dion – Konzert - wieder in flamboyanter Aufmachung. Im Schlepptau ihre Freunde, darunter der Marketingchef von Lacoste in Shanghai, mit dem ich mich auf französisch unterhalte (was für eine Herausforderung nach ein paar Drinks). Wir werden dem Manager der Bar vorgestellt (natürlich ein Freund von ihr). Wir lassen es krachen und tanzen bis 5 Uhr morgens zur dröhnenden House-Music. 3 Flaschen Vodka, 1 Flasche Champagner und etwa 2000 Melonenschnitze später verlassen wir ziemlich angeheitert die Bar. Der Taxifahrer muss uns wecken und die Dame an der Rezeption erschrickt an unserem Anblick. Nach ein paar Stunden Schlaf müssen wir unser Verhandlungskönnen auf dem Fake market beweisen. Wir werden von einem geldwitternden, kurz gewachsenen Chinesen durch die Läden geführt. Der Fake market besteht aus mehreren Gebäuden, in denen billige, gefälschte Ware verkauft wird. T-Shirts, Sonnenbrillen, Gürtel, Unterwäsche, Hosen etc.. Einfach alles wird kopiert und billig verkauft. Meistens ist es möglich den erstgebotenen Preis auf einen Fünftel runter zu handeln. Falls der Verkäufer nicht auf den Preis eingehen will, laufen wir weg. Natürlich werden wir zurückgehalten und es wird weiter verhandelt. Wir handeln Calvin Klein Unterhosen von ursprünglich geforderten 60 Yuan auf 12 Yuan (CHF 1.75) hinunter. Hartnäckigkeit macht sich bezahlt. Der kleine Chinese hat sich mittlerweile enttäuscht vom Acker gemacht und sich wahrscheinlich nach gutgläubigeren Touristen umgesehen. Am Abend dinieren wir im wunderschönen, indischen Restaurant Hazara (very spicy). Nach einem kurzen Zmorge an der überfüllten Nanjing Road am nächsten Morgen verabschieden wir meine Familie, die jetzt eine 20-stündige Zugfahrt vor sich hat. Am Abend treffen wir uns noch mit Jerry (Barbie’s friend) und seiner Begleitung Vicky im Haiku, einem wunderschönen japanischen Restaurant um das beste Sushi der Stadt zu probieren. Veeery guuuud.
In China…(gelesen in „China“ von James Kynge)
..erschien der sechste Harry-Potter-Band noch bevor J.K. Rowling ihn überhaupt geschrieben hatte. Als das Original erschien, wurden Übersetzungen online verkauft. Einige Übersetzer, die mit dem Schluss des Buches nicht zufrieden waren, schrieben ihren eigenen Schluss.
...werden ca. 56% aller Selbstmorde von Frauen weltweit begangen. Ein altes Sprichwort besagt hier: „Eine Frau heiratet nach draussen, so wie Abwasser aus dem Haus geschüttet wird“. Dort wird von ihr erwartet, dass sie für alle Männer in der Familie arbeitet und ihnen gehorsam ist. In den Städten haben sich diese Hierarchien gelockert, auf dem Land scheint diese Struktur immer noch Bestand zu haben.
…leben schätzungsweise 700 Millionen (von insgesamt 1.3 Milliarden) von weniger als 2 Dollar am Tag. Dies schafft eine Unmenge an Arbeitskräfte, die bereit sind, für vorindustrielle Löhne zu arbeiten. Die daraus resultierende Produktivität ist spektakulär. Ein Grund für die Wettbewerbsfähigkeit Chinas ist diese Verbindung zwischen billigen Arbeitskräften und hochmodernen Produktionsanlagen.
…gibt es kein wirksames Konkursgesetz. Daher ist die Liquidation insolventer Firmen schwierig. Viele Firmen stecken im Sumpf der Überproduktion. Bei fast allen Produkten herrscht ein Überangebot. Und trotzdem wird das Sortiment in den meisten Fällen erweitert. Die Banken unterstützen dies, weil sie erstens im Geld schwimmen (Chinesen sparen durchschnittlich 40% ihres Einkommens) und zweitens kommt es ihnen nur darauf an, dass die Firmen grösser und mächtiger werden.
…findet man Läden wie Gussi (Gucci), New Crocodile (Lacoste), Dunbaolu (Dunhill), Woershaqi (Versace), Haagendess (Hägendazs; sie verkaufen aber Ledertaschen!?)
Gemäss Prognosen wird China, bei gleich bleibendem Anstieg der Wirtschaft, schätzungsweise im Jahr 2040 die USA als grösste Wirtschaftsmacht der Welt überholen.
Unsere verrückte Chinesisch-Dozentin
In der Schule wird geschlafen....
Montag, 7. April 2008
Marc erzählt:
Tea-time with Barbie
Ja, Barbie hat uns im Stich gelassen an jenem vergangenen Freitag in der Collection Lounge. Wohl nicht ganz ohne schlechtes Gewissen ruft sie mich also am späteren Samstagmorgen an und schlägt vor, das neueste der vergangenen Nacht beim Afternoon-Tea auszutauschen. Barbie schlägt soeben etwas Zeit tot mit Shopping in der superchicen Shoppingmall „Plaza 66“ an der Nanjing Road, wo wir uns wenig später in der Lobby verabreden. Als wir sie jedoch bei Ankunft im ground floor nicht antreffen, rufe ich nochmals an. „I’m at Chanel, just come in, I’m about to try on some new shoes“, lässt mich Barbie wissen. Diese Szene ist an Dekadenz kaum zu überbieten und ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen als wir kurze Zeit später die Chanel Boutique betreten und uns Barbie ihre neuen froschgrünen Strandschuhe entgegenhält. „I just looove Chanel“ – und wir glauben es ihr! Selbstverständlich kauft sie die Sandalen nicht sofort, nein, sie lässt sich ihre Grösse reservieren und nach Hause liefern, denn das ist ja auch viel bequemer. Eigentlich hasst sie ja langwierige Shoppingnachmittage wie jener, verrät sie uns danach. Inzwischen haben wir das Building gewechselt und nehmen Platz im Element Fresh Restaurant, wo wir konkreteres aus Barbie’s Leben in Erfahrung bringen können. Ab nächstem Monat beispielsweise, da sei sie äusserst „busy“, denn sie besucht Fahrstunden – freiwillig. Ein Angebot für einen Chauffeur von ihrem Vater hat sie nämlich entschieden abgelehnt, denn sie will keinen Überwacher in ihrem kurzweiligen Leben, der allfällige Eskapaden unentwegt ihrem Vater melden könnte. „Too dangerous“, meint sie. Da fährt sie lieber selbst und verzichtet auf den Service. I see.
Wir eröffnen ihr unsere Pläne für den Samstagabend. Die BarRouge soll es nochmals sein, denn der bestbekannte DJ David Guetta aus Paris hat sich angekündigt. Doch Barbie ist skeptisch. „I double-check for you with my friend, he’s the owner of BarRouge“. Überhaupt lässt sie alles “double-checken”, eines ihrer Lieblingswörter neben “actually” und “okay-lah“ (chinglish für „OK“). Es sei nichts Besonderes heute Abend in der BarRouge, so das Resultat des kurzen Telefonats mit dem Clubbesitzer. Stattdessen empfiehlt sie uns das Volar. Ein Memberclub in dem samstags unter dem Motto „models night“ viele ausländische Models anwesend seien. Wir zeigen uns interessiert. Barbie lässt uns selbstverständlich einen Tisch reservieren. Sie selbst wird jedoch nicht auftauchen, ihr „time-schedule“ lässt nicht jede Veranstaltung zu. Und so verschwindet die Dame für heute am Eingang des Portmann Ritz-Carlton Hotels, wo sie zu residieren pflegt.
So kreuzen wir also am späteren Abend, nach einem ausgiebigen dinner im „Simply Thai“, am Eingang des Volar auf. Die überbelegte Türstehermannschaft mustert uns eingehend und kritisch, jedoch nur solange, bis wir Barbie’s Namen äussern und schon öffnet sich die Tür zum Club wie von selbst. Oben angekommen steht unser Tisch bereit. Wir ordern eine Flasche „Club Havanna“. Die Models treffen ein. Man scheint sich zu kennen. Eine überaus freundliche junge Dame, von der grösse eines Basketballprofis und der Statur eines Besenstiels, gesellt sich an unseren Tisch. Sie kommt direkt aus Hong Kong und folgt nun einigen Aufträgen als Model hier in Shanghai. Sie vermisst ihre Heimatstadt Hamburg, sagt sie, und wir wechseln von Englisch auf Deutsch. So klein kann die Welt sein. Neben Manu sitzt ein männliches Model von angeheiterter Laune, dessen Heimatstadt Las Vegas man ihm sofort ansieht. Und das kann kein gutes Zeichen sein! Wenige Stunden später überlassen wir den letzten Viertel der Rum-Flasche den Models und kehren ins Hotel zurück. Ohne Barbie ist ein solcher Abend eben doch nur halb so amüsant. Ich kann keine Models mehr sehen!
Xintiandi
Früh aufzustehen kommt trotz vorzeitigem Rückzug letzter Nacht nicht in Frage. Der Sonntagmorgen wird wie immer dem Hotelbett gewidmet. Mich weckt ein Anruf von Barbie, die sich für ihre Abwesenheit im von letzter Nacht entschuldigen möchte, indem sie uns zum Nachtessen in Xintiandi einlädt. Ich nehme, stellvertretend auch für Manu, die Einladung an.
Ursprünglich war ja einmal mehr Massage für diesen Sonntagnachmittag geplant, doch die Zeit wird knapp. Ein verspäteter Brunch im „Paul“ liegt jedoch drin und schliesslich gehört der auch zu einem anständigen Sonntag.
Punkt 19.00 Uhr werden wir von Barbie und ihrem Bruder in Xintiandi empfangen. Xintiandi, für all jene die es vergessen haben sollten, ist ein künstlich errichtetes Zentrum mit niedrigen Backsteinbauten, wie sie in Shanghai wohl zu früheren Zeiten existierten. Die Häuser beherbergen zahlreiche unheimlich teure Boutiquen, Restaurants und Bars, in welchen sich vor allem Expats, Touristen und Chinesen vom Typ unserer Barbie wieder finden. Wir essen viel zu viel und Barbie, die meistens das Wort hat, erzählt spannende Anekdoten aus ihrem Leben – sofern sie sich nicht gerade über den schlechten Service beschwert. In Barbie’s Welt ist man selten zufrieden, so was gehört sich nicht, eher wirft man mit Gegenständen nach dem Personal. Ja, sie ist eine richtige Diva unsere Barbie, und als wir später in den 2. Stock wechseln, um ein paar Partien Billard zu spielen, logiert sie neben dem Pooltisch auf einem schwarzen Sofa wie Kaiserin Soraya von Persien in ihren besten Tagen. Wir nehmen es gelassen, schliesslich haben wir bislang keinen müden Cent liegen lassen.
Hangzhou – „tomb sweeping day“
Ein höchst kompliziertes Verfahren zur Erstehung eines Reisepasses, die seltenen Urlaubstage, sowie vielfach fehlende finanzielle Mittel sind Gründe dafür, dass die Menschen in China nur höchst selten in die Ferien fahren und wenn, dann meist nur innerhalb des Landes. Umso mehr lieben die Chinesen ihre Feiertage. Solche „national holidays“ gibt’s dann auch dementsprechend viele und einer davon ist der „tomb sweeping day“ oder auch „the pure brightness day“ genannt. Natürlich sind dies nur die englischen Übersetzungen dazu. An diesem Feiertag fährt die traditionelle chinesische Familie raus aufs Land oder zu den Gräbern von verstorbenen Angehörigen und schmücken diese kunterbunt mit Blumen und Kränzen und gedenken ihren Vorfahren. Man kann sich vorstellen, dass wir nicht ganz die einzigen sind, welche an diesem Wochenende die 1,5 Stunden ausserhalb von Shanghai gelegene Stadt Hangzhou besuchen wollen. Ganz Shanghai scheint die Stadt fluchtartig in Richtung Süden verlassen zu wollen, doch das Gedränge im Terminal der „Shanghai South Railway Station“ hält sich zu unserem Erstaunen noch in Grenzen. Die kurzweilige Fahrt in der „first class“ des Transrapid mit Ziel Hangzhou war dann auch äusserst bequem und wir erfahren mehr über unsere Reisebegleiter Colin, dessen Freundin Yndia und eine weitere junge Frau namens Jane. Allesamt Studenten der „Shanghai Finance University“ – unsere Uni hier in Shanghai.
In Hangzhou angekommen werden wir enthusiastisch von drei weiteren Freunden empfangen. Unsere „Guides“ für dieses Wochenende, denn sie alle sind Hangzhou ren (chinesisch für „Einwohner Hangzhous“). Nach kurzem check-in Prozedere im Hotel, werden wir in die überschaubare Altstadt Hangzhous geführt, wo wir in kleinen Seitengassen unzählige chinesische Snacks kosten sollen. Die bestbekannten ganzen Enten werden natürlich auch hier angeboten. Wir verzichten. Viele der kleinen Mahlzeiten schmecken aber sehr gut und ich bin eigentlich jetzt schon überfüllt, obwohl das Nachtessen uns noch bevorsteht. Zum dinner werden wir in einen privaten Essraum geführt, wo ganz nach chinesischer Art, unzählige Speisen in der Mitte auf einem runden Glas-Drehtisch aufgestellt werden und man von allem ein wenig verspeist. Wir unterhalten uns über Unterschiede zwischen der Schweiz und China und lernen schmutzige chinesische Wörter. Dazwischen wird immer wieder lautstark „fúwùjuán!“ (Bedienung!) gerufen um noch mehr von allem zu bestellen. Zurück im Hotel geniessen wir das unheimlich spannende chinesische Fernsehprogramm. Dieses setzt sich aus alten und neuen Filmen, Serien und TV-Shows zusammen, wobei die Darsteller in diesen Produktionen jeweils über das schauspielerische Talent und die Ausstrahlung eines slowakischen Buchhalters verfügen.
Der nächste Tag beginnt für uns ungewohnt früh und so erreichen wir die Hauptattraktion Hangzhous, den „West Lake“ bereits gegen 9.30 Uhr. Wir sind jedoch nicht die Einzigen, im Gegenteil, eine ganze Völkerwanderung scheint hier schon im Gange zu sein. Die erfrischende Seeluft und die erstaunlich schöne Umgebung, lassen aber selbst die grosse Menschenansammlung vergessen und wir geniessen es für einmal nicht im Grosstadtdschungel Shanghai gefangen zu sein. Auf halbem Weg zur Fahrradvermietstation treffen wir auf ein älteres Ehepaar, welche in einem niedlichen Pavillon direkt am See „Tai Qi“ betreiben. Wir gesellen uns spontan dazu. Wie die Fotos beweisen, entpuppen wir uns als geborene „Tai Qi“-Talente und selbst der Konfuzius wäre stolz auf unsere Darbietung gewesen. Die Chinesen erholen sich kaum mehr von diesem Bild der zwei tollpatschigen Touristen aus dem fernen Westen, und die Kameras blitzen.
Später auf der Fahrradtour rund um den See werde ich meine unlängst angestauten Aggressionen gegenüber dem chinesischen Strassenverkehr los. Endlich kann man dem Drängeln, Hupen (ok, in unserem Fall Klingeln) und Anrempeln von Passanten freien lauf lassen, haben wir das doch während der unzähligen Taxifahrten in Shanghai genau beobachtet und nicht selten dabei Todesängste ausgestanden.
Zum „Znacht“ gibt’s heute heisser Eintopf mit brodelndem Wasser und verschiedensten Fleischsorten, Tofu und Gemüse, welche darin gekocht werden – ja richtig, es handelt sich um „Fondue Chinoise“. Es gibt hier offenbar Restaurants, welche sich nur auf diese eine Speise spezialisiert haben. Nun wissen wir also auch, dass „Fondue Chinoise“ tatsächlich in China seine Wurzeln hat. Wir spielen noch ein wenig Karten im Hotelzimmer und gehen um 22.00 Uhr schlafen – für einmal sind wir nicht mit Barbie unterwegs, wie der aufmerksame Leser feststellen wirdJ.
Weitere Highlights dieser Woche:
Besuch des Shanghai Museums, eine der Hauptattraktionen der Stadt, welche eher ernüchternd auf uns gewirkt hat / Mittwochnacht in der BarRouge mit DJ CutKiller aus Paris – Moët & Chandôn aus der Flasche (…hmm, Flaschen) / Billard und Karaoke bei „Haoledi“ mit Barbie und ihrem Gefolge – die Dame entpuppt sich als überaus talentierte Sängerin / Besuch des Qipu Lu Fake Market, welcher erstaunlicherweise gar nicht so aufdringlich daherkommt wie wir uns das vorgestellt hatten – da waren wir nicht zum letzten mal!
playing cards in the park
Tea-time with Barbie
Ja, Barbie hat uns im Stich gelassen an jenem vergangenen Freitag in der Collection Lounge. Wohl nicht ganz ohne schlechtes Gewissen ruft sie mich also am späteren Samstagmorgen an und schlägt vor, das neueste der vergangenen Nacht beim Afternoon-Tea auszutauschen. Barbie schlägt soeben etwas Zeit tot mit Shopping in der superchicen Shoppingmall „Plaza 66“ an der Nanjing Road, wo wir uns wenig später in der Lobby verabreden. Als wir sie jedoch bei Ankunft im ground floor nicht antreffen, rufe ich nochmals an. „I’m at Chanel, just come in, I’m about to try on some new shoes“, lässt mich Barbie wissen. Diese Szene ist an Dekadenz kaum zu überbieten und ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen als wir kurze Zeit später die Chanel Boutique betreten und uns Barbie ihre neuen froschgrünen Strandschuhe entgegenhält. „I just looove Chanel“ – und wir glauben es ihr! Selbstverständlich kauft sie die Sandalen nicht sofort, nein, sie lässt sich ihre Grösse reservieren und nach Hause liefern, denn das ist ja auch viel bequemer. Eigentlich hasst sie ja langwierige Shoppingnachmittage wie jener, verrät sie uns danach. Inzwischen haben wir das Building gewechselt und nehmen Platz im Element Fresh Restaurant, wo wir konkreteres aus Barbie’s Leben in Erfahrung bringen können. Ab nächstem Monat beispielsweise, da sei sie äusserst „busy“, denn sie besucht Fahrstunden – freiwillig. Ein Angebot für einen Chauffeur von ihrem Vater hat sie nämlich entschieden abgelehnt, denn sie will keinen Überwacher in ihrem kurzweiligen Leben, der allfällige Eskapaden unentwegt ihrem Vater melden könnte. „Too dangerous“, meint sie. Da fährt sie lieber selbst und verzichtet auf den Service. I see.
Wir eröffnen ihr unsere Pläne für den Samstagabend. Die BarRouge soll es nochmals sein, denn der bestbekannte DJ David Guetta aus Paris hat sich angekündigt. Doch Barbie ist skeptisch. „I double-check for you with my friend, he’s the owner of BarRouge“. Überhaupt lässt sie alles “double-checken”, eines ihrer Lieblingswörter neben “actually” und “okay-lah“ (chinglish für „OK“). Es sei nichts Besonderes heute Abend in der BarRouge, so das Resultat des kurzen Telefonats mit dem Clubbesitzer. Stattdessen empfiehlt sie uns das Volar. Ein Memberclub in dem samstags unter dem Motto „models night“ viele ausländische Models anwesend seien. Wir zeigen uns interessiert. Barbie lässt uns selbstverständlich einen Tisch reservieren. Sie selbst wird jedoch nicht auftauchen, ihr „time-schedule“ lässt nicht jede Veranstaltung zu. Und so verschwindet die Dame für heute am Eingang des Portmann Ritz-Carlton Hotels, wo sie zu residieren pflegt.
So kreuzen wir also am späteren Abend, nach einem ausgiebigen dinner im „Simply Thai“, am Eingang des Volar auf. Die überbelegte Türstehermannschaft mustert uns eingehend und kritisch, jedoch nur solange, bis wir Barbie’s Namen äussern und schon öffnet sich die Tür zum Club wie von selbst. Oben angekommen steht unser Tisch bereit. Wir ordern eine Flasche „Club Havanna“. Die Models treffen ein. Man scheint sich zu kennen. Eine überaus freundliche junge Dame, von der grösse eines Basketballprofis und der Statur eines Besenstiels, gesellt sich an unseren Tisch. Sie kommt direkt aus Hong Kong und folgt nun einigen Aufträgen als Model hier in Shanghai. Sie vermisst ihre Heimatstadt Hamburg, sagt sie, und wir wechseln von Englisch auf Deutsch. So klein kann die Welt sein. Neben Manu sitzt ein männliches Model von angeheiterter Laune, dessen Heimatstadt Las Vegas man ihm sofort ansieht. Und das kann kein gutes Zeichen sein! Wenige Stunden später überlassen wir den letzten Viertel der Rum-Flasche den Models und kehren ins Hotel zurück. Ohne Barbie ist ein solcher Abend eben doch nur halb so amüsant. Ich kann keine Models mehr sehen!
Xintiandi
Früh aufzustehen kommt trotz vorzeitigem Rückzug letzter Nacht nicht in Frage. Der Sonntagmorgen wird wie immer dem Hotelbett gewidmet. Mich weckt ein Anruf von Barbie, die sich für ihre Abwesenheit im von letzter Nacht entschuldigen möchte, indem sie uns zum Nachtessen in Xintiandi einlädt. Ich nehme, stellvertretend auch für Manu, die Einladung an.
Ursprünglich war ja einmal mehr Massage für diesen Sonntagnachmittag geplant, doch die Zeit wird knapp. Ein verspäteter Brunch im „Paul“ liegt jedoch drin und schliesslich gehört der auch zu einem anständigen Sonntag.
Punkt 19.00 Uhr werden wir von Barbie und ihrem Bruder in Xintiandi empfangen. Xintiandi, für all jene die es vergessen haben sollten, ist ein künstlich errichtetes Zentrum mit niedrigen Backsteinbauten, wie sie in Shanghai wohl zu früheren Zeiten existierten. Die Häuser beherbergen zahlreiche unheimlich teure Boutiquen, Restaurants und Bars, in welchen sich vor allem Expats, Touristen und Chinesen vom Typ unserer Barbie wieder finden. Wir essen viel zu viel und Barbie, die meistens das Wort hat, erzählt spannende Anekdoten aus ihrem Leben – sofern sie sich nicht gerade über den schlechten Service beschwert. In Barbie’s Welt ist man selten zufrieden, so was gehört sich nicht, eher wirft man mit Gegenständen nach dem Personal. Ja, sie ist eine richtige Diva unsere Barbie, und als wir später in den 2. Stock wechseln, um ein paar Partien Billard zu spielen, logiert sie neben dem Pooltisch auf einem schwarzen Sofa wie Kaiserin Soraya von Persien in ihren besten Tagen. Wir nehmen es gelassen, schliesslich haben wir bislang keinen müden Cent liegen lassen.
Hangzhou – „tomb sweeping day“
Ein höchst kompliziertes Verfahren zur Erstehung eines Reisepasses, die seltenen Urlaubstage, sowie vielfach fehlende finanzielle Mittel sind Gründe dafür, dass die Menschen in China nur höchst selten in die Ferien fahren und wenn, dann meist nur innerhalb des Landes. Umso mehr lieben die Chinesen ihre Feiertage. Solche „national holidays“ gibt’s dann auch dementsprechend viele und einer davon ist der „tomb sweeping day“ oder auch „the pure brightness day“ genannt. Natürlich sind dies nur die englischen Übersetzungen dazu. An diesem Feiertag fährt die traditionelle chinesische Familie raus aufs Land oder zu den Gräbern von verstorbenen Angehörigen und schmücken diese kunterbunt mit Blumen und Kränzen und gedenken ihren Vorfahren. Man kann sich vorstellen, dass wir nicht ganz die einzigen sind, welche an diesem Wochenende die 1,5 Stunden ausserhalb von Shanghai gelegene Stadt Hangzhou besuchen wollen. Ganz Shanghai scheint die Stadt fluchtartig in Richtung Süden verlassen zu wollen, doch das Gedränge im Terminal der „Shanghai South Railway Station“ hält sich zu unserem Erstaunen noch in Grenzen. Die kurzweilige Fahrt in der „first class“ des Transrapid mit Ziel Hangzhou war dann auch äusserst bequem und wir erfahren mehr über unsere Reisebegleiter Colin, dessen Freundin Yndia und eine weitere junge Frau namens Jane. Allesamt Studenten der „Shanghai Finance University“ – unsere Uni hier in Shanghai.
In Hangzhou angekommen werden wir enthusiastisch von drei weiteren Freunden empfangen. Unsere „Guides“ für dieses Wochenende, denn sie alle sind Hangzhou ren (chinesisch für „Einwohner Hangzhous“). Nach kurzem check-in Prozedere im Hotel, werden wir in die überschaubare Altstadt Hangzhous geführt, wo wir in kleinen Seitengassen unzählige chinesische Snacks kosten sollen. Die bestbekannten ganzen Enten werden natürlich auch hier angeboten. Wir verzichten. Viele der kleinen Mahlzeiten schmecken aber sehr gut und ich bin eigentlich jetzt schon überfüllt, obwohl das Nachtessen uns noch bevorsteht. Zum dinner werden wir in einen privaten Essraum geführt, wo ganz nach chinesischer Art, unzählige Speisen in der Mitte auf einem runden Glas-Drehtisch aufgestellt werden und man von allem ein wenig verspeist. Wir unterhalten uns über Unterschiede zwischen der Schweiz und China und lernen schmutzige chinesische Wörter. Dazwischen wird immer wieder lautstark „fúwùjuán!“ (Bedienung!) gerufen um noch mehr von allem zu bestellen. Zurück im Hotel geniessen wir das unheimlich spannende chinesische Fernsehprogramm. Dieses setzt sich aus alten und neuen Filmen, Serien und TV-Shows zusammen, wobei die Darsteller in diesen Produktionen jeweils über das schauspielerische Talent und die Ausstrahlung eines slowakischen Buchhalters verfügen.
Der nächste Tag beginnt für uns ungewohnt früh und so erreichen wir die Hauptattraktion Hangzhous, den „West Lake“ bereits gegen 9.30 Uhr. Wir sind jedoch nicht die Einzigen, im Gegenteil, eine ganze Völkerwanderung scheint hier schon im Gange zu sein. Die erfrischende Seeluft und die erstaunlich schöne Umgebung, lassen aber selbst die grosse Menschenansammlung vergessen und wir geniessen es für einmal nicht im Grosstadtdschungel Shanghai gefangen zu sein. Auf halbem Weg zur Fahrradvermietstation treffen wir auf ein älteres Ehepaar, welche in einem niedlichen Pavillon direkt am See „Tai Qi“ betreiben. Wir gesellen uns spontan dazu. Wie die Fotos beweisen, entpuppen wir uns als geborene „Tai Qi“-Talente und selbst der Konfuzius wäre stolz auf unsere Darbietung gewesen. Die Chinesen erholen sich kaum mehr von diesem Bild der zwei tollpatschigen Touristen aus dem fernen Westen, und die Kameras blitzen.
Später auf der Fahrradtour rund um den See werde ich meine unlängst angestauten Aggressionen gegenüber dem chinesischen Strassenverkehr los. Endlich kann man dem Drängeln, Hupen (ok, in unserem Fall Klingeln) und Anrempeln von Passanten freien lauf lassen, haben wir das doch während der unzähligen Taxifahrten in Shanghai genau beobachtet und nicht selten dabei Todesängste ausgestanden.
Zum „Znacht“ gibt’s heute heisser Eintopf mit brodelndem Wasser und verschiedensten Fleischsorten, Tofu und Gemüse, welche darin gekocht werden – ja richtig, es handelt sich um „Fondue Chinoise“. Es gibt hier offenbar Restaurants, welche sich nur auf diese eine Speise spezialisiert haben. Nun wissen wir also auch, dass „Fondue Chinoise“ tatsächlich in China seine Wurzeln hat. Wir spielen noch ein wenig Karten im Hotelzimmer und gehen um 22.00 Uhr schlafen – für einmal sind wir nicht mit Barbie unterwegs, wie der aufmerksame Leser feststellen wirdJ.
Weitere Highlights dieser Woche:
Besuch des Shanghai Museums, eine der Hauptattraktionen der Stadt, welche eher ernüchternd auf uns gewirkt hat / Mittwochnacht in der BarRouge mit DJ CutKiller aus Paris – Moët & Chandôn aus der Flasche (…hmm, Flaschen) / Billard und Karaoke bei „Haoledi“ mit Barbie und ihrem Gefolge – die Dame entpuppt sich als überaus talentierte Sängerin / Besuch des Qipu Lu Fake Market, welcher erstaunlicherweise gar nicht so aufdringlich daherkommt wie wir uns das vorgestellt hatten – da waren wir nicht zum letzten mal!
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