Montag, 7. April 2008

Marc erzählt:

Tea-time with Barbie

Ja, Barbie hat uns im Stich gelassen an jenem vergangenen Freitag in der Collection Lounge. Wohl nicht ganz ohne schlechtes Gewissen ruft sie mich also am späteren Samstagmorgen an und schlägt vor, das neueste der vergangenen Nacht beim Afternoon-Tea auszutauschen. Barbie schlägt soeben etwas Zeit tot mit Shopping in der superchicen Shoppingmall „Plaza 66“ an der Nanjing Road, wo wir uns wenig später in der Lobby verabreden. Als wir sie jedoch bei Ankunft im ground floor nicht antreffen, rufe ich nochmals an. „I’m at Chanel, just come in, I’m about to try on some new shoes“, lässt mich Barbie wissen. Diese Szene ist an Dekadenz kaum zu überbieten und ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen als wir kurze Zeit später die Chanel Boutique betreten und uns Barbie ihre neuen froschgrünen Strandschuhe entgegenhält. „I just looove Chanel“ – und wir glauben es ihr! Selbstverständlich kauft sie die Sandalen nicht sofort, nein, sie lässt sich ihre Grösse reservieren und nach Hause liefern, denn das ist ja auch viel bequemer. Eigentlich hasst sie ja langwierige Shoppingnachmittage wie jener, verrät sie uns danach. Inzwischen haben wir das Building gewechselt und nehmen Platz im Element Fresh Restaurant, wo wir konkreteres aus Barbie’s Leben in Erfahrung bringen können. Ab nächstem Monat beispielsweise, da sei sie äusserst „busy“, denn sie besucht Fahrstunden – freiwillig. Ein Angebot für einen Chauffeur von ihrem Vater hat sie nämlich entschieden abgelehnt, denn sie will keinen Überwacher in ihrem kurzweiligen Leben, der allfällige Eskapaden unentwegt ihrem Vater melden könnte. „Too dangerous“, meint sie. Da fährt sie lieber selbst und verzichtet auf den Service. I see.
Wir eröffnen ihr unsere Pläne für den Samstagabend. Die BarRouge soll es nochmals sein, denn der bestbekannte DJ David Guetta aus Paris hat sich angekündigt. Doch Barbie ist skeptisch. „I double-check for you with my friend, he’s the owner of BarRouge“. Überhaupt lässt sie alles “double-checken”, eines ihrer Lieblingswörter neben “actually” und “okay-lah“ (chinglish für „OK“). Es sei nichts Besonderes heute Abend in der BarRouge, so das Resultat des kurzen Telefonats mit dem Clubbesitzer. Stattdessen empfiehlt sie uns das Volar. Ein Memberclub in dem samstags unter dem Motto „models night“ viele ausländische Models anwesend seien. Wir zeigen uns interessiert. Barbie lässt uns selbstverständlich einen Tisch reservieren. Sie selbst wird jedoch nicht auftauchen, ihr „time-schedule“ lässt nicht jede Veranstaltung zu. Und so verschwindet die Dame für heute am Eingang des Portmann Ritz-Carlton Hotels, wo sie zu residieren pflegt.
So kreuzen wir also am späteren Abend, nach einem ausgiebigen dinner im „Simply Thai“, am Eingang des Volar auf. Die überbelegte Türstehermannschaft mustert uns eingehend und kritisch, jedoch nur solange, bis wir Barbie’s Namen äussern und schon öffnet sich die Tür zum Club wie von selbst. Oben angekommen steht unser Tisch bereit. Wir ordern eine Flasche „Club Havanna“. Die Models treffen ein. Man scheint sich zu kennen. Eine überaus freundliche junge Dame, von der grösse eines Basketballprofis und der Statur eines Besenstiels, gesellt sich an unseren Tisch. Sie kommt direkt aus Hong Kong und folgt nun einigen Aufträgen als Model hier in Shanghai. Sie vermisst ihre Heimatstadt Hamburg, sagt sie, und wir wechseln von Englisch auf Deutsch. So klein kann die Welt sein. Neben Manu sitzt ein männliches Model von angeheiterter Laune, dessen Heimatstadt Las Vegas man ihm sofort ansieht. Und das kann kein gutes Zeichen sein! Wenige Stunden später überlassen wir den letzten Viertel der Rum-Flasche den Models und kehren ins Hotel zurück. Ohne Barbie ist ein solcher Abend eben doch nur halb so amüsant. Ich kann keine Models mehr sehen!


Xintiandi

Früh aufzustehen kommt trotz vorzeitigem Rückzug letzter Nacht nicht in Frage. Der Sonntagmorgen wird wie immer dem Hotelbett gewidmet. Mich weckt ein Anruf von Barbie, die sich für ihre Abwesenheit im von letzter Nacht entschuldigen möchte, indem sie uns zum Nachtessen in Xintiandi einlädt. Ich nehme, stellvertretend auch für Manu, die Einladung an.
Ursprünglich war ja einmal mehr Massage für diesen Sonntagnachmittag geplant, doch die Zeit wird knapp. Ein verspäteter Brunch im „Paul“ liegt jedoch drin und schliesslich gehört der auch zu einem anständigen Sonntag.
Punkt 19.00 Uhr werden wir von Barbie und ihrem Bruder in Xintiandi empfangen. Xintiandi, für all jene die es vergessen haben sollten, ist ein künstlich errichtetes Zentrum mit niedrigen Backsteinbauten, wie sie in Shanghai wohl zu früheren Zeiten existierten. Die Häuser beherbergen zahlreiche unheimlich teure Boutiquen, Restaurants und Bars, in welchen sich vor allem Expats, Touristen und Chinesen vom Typ unserer Barbie wieder finden. Wir essen viel zu viel und Barbie, die meistens das Wort hat, erzählt spannende Anekdoten aus ihrem Leben – sofern sie sich nicht gerade über den schlechten Service beschwert. In Barbie’s Welt ist man selten zufrieden, so was gehört sich nicht, eher wirft man mit Gegenständen nach dem Personal. Ja, sie ist eine richtige Diva unsere Barbie, und als wir später in den 2. Stock wechseln, um ein paar Partien Billard zu spielen, logiert sie neben dem Pooltisch auf einem schwarzen Sofa wie Kaiserin Soraya von Persien in ihren besten Tagen. Wir nehmen es gelassen, schliesslich haben wir bislang keinen müden Cent liegen lassen.

Hangzhou – „tomb sweeping day“

Ein höchst kompliziertes Verfahren zur Erstehung eines Reisepasses, die seltenen Urlaubstage, sowie vielfach fehlende finanzielle Mittel sind Gründe dafür, dass die Menschen in China nur höchst selten in die Ferien fahren und wenn, dann meist nur innerhalb des Landes. Umso mehr lieben die Chinesen ihre Feiertage. Solche „national holidays“ gibt’s dann auch dementsprechend viele und einer davon ist der „tomb sweeping day“ oder auch „the pure brightness day“ genannt. Natürlich sind dies nur die englischen Übersetzungen dazu. An diesem Feiertag fährt die traditionelle chinesische Familie raus aufs Land oder zu den Gräbern von verstorbenen Angehörigen und schmücken diese kunterbunt mit Blumen und Kränzen und gedenken ihren Vorfahren. Man kann sich vorstellen, dass wir nicht ganz die einzigen sind, welche an diesem Wochenende die 1,5 Stunden ausserhalb von Shanghai gelegene Stadt Hangzhou besuchen wollen. Ganz Shanghai scheint die Stadt fluchtartig in Richtung Süden verlassen zu wollen, doch das Gedränge im Terminal der „Shanghai South Railway Station“ hält sich zu unserem Erstaunen noch in Grenzen. Die kurzweilige Fahrt in der „first class“ des Transrapid mit Ziel Hangzhou war dann auch äusserst bequem und wir erfahren mehr über unsere Reisebegleiter Colin, dessen Freundin Yndia und eine weitere junge Frau namens Jane. Allesamt Studenten der „Shanghai Finance University“ – unsere Uni hier in Shanghai.
In Hangzhou angekommen werden wir enthusiastisch von drei weiteren Freunden empfangen. Unsere „Guides“ für dieses Wochenende, denn sie alle sind Hangzhou ren (chinesisch für „Einwohner Hangzhous“). Nach kurzem check-in Prozedere im Hotel, werden wir in die überschaubare Altstadt Hangzhous geführt, wo wir in kleinen Seitengassen unzählige chinesische Snacks kosten sollen. Die bestbekannten ganzen Enten werden natürlich auch hier angeboten. Wir verzichten. Viele der kleinen Mahlzeiten schmecken aber sehr gut und ich bin eigentlich jetzt schon überfüllt, obwohl das Nachtessen uns noch bevorsteht. Zum dinner werden wir in einen privaten Essraum geführt, wo ganz nach chinesischer Art, unzählige Speisen in der Mitte auf einem runden Glas-Drehtisch aufgestellt werden und man von allem ein wenig verspeist. Wir unterhalten uns über Unterschiede zwischen der Schweiz und China und lernen schmutzige chinesische Wörter. Dazwischen wird immer wieder lautstark „fúwùjuán!“ (Bedienung!) gerufen um noch mehr von allem zu bestellen. Zurück im Hotel geniessen wir das unheimlich spannende chinesische Fernsehprogramm. Dieses setzt sich aus alten und neuen Filmen, Serien und TV-Shows zusammen, wobei die Darsteller in diesen Produktionen jeweils über das schauspielerische Talent und die Ausstrahlung eines slowakischen Buchhalters verfügen.
Der nächste Tag beginnt für uns ungewohnt früh und so erreichen wir die Hauptattraktion Hangzhous, den „West Lake“ bereits gegen 9.30 Uhr. Wir sind jedoch nicht die Einzigen, im Gegenteil, eine ganze Völkerwanderung scheint hier schon im Gange zu sein. Die erfrischende Seeluft und die erstaunlich schöne Umgebung, lassen aber selbst die grosse Menschenansammlung vergessen und wir geniessen es für einmal nicht im Grosstadtdschungel Shanghai gefangen zu sein. Auf halbem Weg zur Fahrradvermietstation treffen wir auf ein älteres Ehepaar, welche in einem niedlichen Pavillon direkt am See „Tai Qi“ betreiben. Wir gesellen uns spontan dazu. Wie die Fotos beweisen, entpuppen wir uns als geborene „Tai Qi“-Talente und selbst der Konfuzius wäre stolz auf unsere Darbietung gewesen. Die Chinesen erholen sich kaum mehr von diesem Bild der zwei tollpatschigen Touristen aus dem fernen Westen, und die Kameras blitzen.
Später auf der Fahrradtour rund um den See werde ich meine unlängst angestauten Aggressionen gegenüber dem chinesischen Strassenverkehr los. Endlich kann man dem Drängeln, Hupen (ok, in unserem Fall Klingeln) und Anrempeln von Passanten freien lauf lassen, haben wir das doch während der unzähligen Taxifahrten in Shanghai genau beobachtet und nicht selten dabei Todesängste ausgestanden.
Zum „Znacht“ gibt’s heute heisser Eintopf mit brodelndem Wasser und verschiedensten Fleischsorten, Tofu und Gemüse, welche darin gekocht werden – ja richtig, es handelt sich um „Fondue Chinoise“. Es gibt hier offenbar Restaurants, welche sich nur auf diese eine Speise spezialisiert haben. Nun wissen wir also auch, dass „Fondue Chinoise“ tatsächlich in China seine Wurzeln hat. Wir spielen noch ein wenig Karten im Hotelzimmer und gehen um 22.00 Uhr schlafen – für einmal sind wir nicht mit Barbie unterwegs, wie der aufmerksame Leser feststellen wirdJ.

Weitere Highlights dieser Woche:

Besuch des Shanghai Museums, eine der Hauptattraktionen der Stadt, welche eher ernüchternd auf uns gewirkt hat / Mittwochnacht in der BarRouge mit DJ CutKiller aus Paris – Moët & Chandôn aus der Flasche (…hmm, Flaschen) / Billard und Karaoke bei „Haoledi“ mit Barbie und ihrem Gefolge – die Dame entpuppt sich als überaus talentierte Sängerin / Besuch des Qipu Lu Fake Market, welcher erstaunlicherweise gar nicht so aufdringlich daherkommt wie wir uns das vorgestellt hatten – da waren wir nicht zum letzten mal!

playing cards in the park

West lake in hangzhou



























Crowd on the broken bridge







am omemeche








low rider









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