Manu erzählt:
Aphrodite und die High Society
Der graue Alltag ist eingekehrt. Die Monotonie hängt erdrückend schwer über unseren phlegmatischen Gemütern und die Tage bis zur Rückkehr in den aufregenden Aargau werden gezählt. Yeeeah right, so wahrscheinlich wie unserem „Wachhund“ die Ehrenmedaille für heroische, wagemutige Rettungsaktionen verliehen wird! Let’s get the party started - again! Nach dem obligaten Wochenend-Brunch „chez Paul“, verbrachten wir schweissgebadet ein paar bange Minuten auf dem Frisiersessel von Jimmy Chang, dem John Wayne unter den chinesischen Haarkünstlern (die ängstlich wirkende Assistentin hat uns insgesamt 6 (!) mal die Haare gewaschen und den Hals und Kopf massiert!?), um dann frisch frisiert mit wirklich, wirklich sauberen Haaren ins Nachtleben von Shanghai einzutauchen. Den Abend lancierten wir mit einem köstlichen Abendessen im dezent und elegant eingerichteten, gold schimmernden Azul/Viva in der French Concession. Wir waren bereit. Bereit für das Mint, ein Club im 2. Stock einer 1938 erbauten Villa. Renovation, schon wieder. Kurzerhand entschlossen wir uns, eine Einladung in den Mao-Club von einer Chinesin, die wir einen Abend vorher kennen gelernt hatten, anzunehmen. Rückblende: Wir sitzen in einer Bar on the bund, als sich zwei Chinesinnen, in Kleidchen und mit Maske (sie kamen von einem Maskenball) neben uns setzen und eine Moetflasche bestellen. Sie sprechen uns an, small talk, Marc tauscht Nummern, wir gehen. Am nächsten Tag lädt sie uns in den Club ein. Im Taxi läuft laut „Wonderwall“ von Oasis, wir singen mit. Der Taxichauffeur hält uns für verrückt. Angekommen im Mao (die Party heisst „we are perverts“) werden wir sofort wie VIP’s behandelt und durchgelassen. Warum auch Eintritt bezahlen? Aphrodite (so nennt sich die Chinesin, hallo? wie war das?) führt uns in den erhöhten, abgegrenzten VIP-Bereich, wo einige Tische stehen, die das Gewicht der darauf stehenden Whiskeyflaschen kaum zu tragen vermögen. Aphy (ihr Spitzname) stellt uns ihrem Bruder und ihren Freunden vor. Sie ist ca. zwischen 26-30 Jahre alt und arbeitete in Genf für Richmont, mittlerweile für die Focus Filmproduktion, Fashion-Victim, dekadent, narzisstisch und durchgeknallt. Ihr jüngerer 24-jähriger Playboy-Bruder führt eine Bar im exklusiven Xintiandi-Viertel. Sie stammen angeblich aus einer reichen, einflussreichen Familie in Shanghai. Das „reich“ bestätigte sie, indem sie einfach noch ein paar Flaschen bestellte und von ihrer Villa erzählte. Als um 2 Uhr morgens Komplikationen auftraten wegen eines Missverständnisses bezüglich der Tischreservation, drohte sie brüllend den Club schliessen zu lassen.. Sie erinnert mich ein bisschen an die böse Schwester aus „Cruel intentions“. Ping (oder wie auch immer sein Name war) erzählt mir von seiner PR-Firma und erläutert mir eine halbe Stunde lang voller Begeisterung, in welchen Regionen Chinas die schönsten Frauen zu finden seien. Neben ihm sitzt seine Ehefrau. Vor uns tanzen professionelle Tänzerinnen in Catwomen-Hauch-von-Nichts und Tänzer oben ohne. Eine Drag-Queen schwirrt herum, setzt sich zwischen Marc und mich und grölt mit erschreckend tiefer Stimme irgendetwas vor sich hin. Habe ich schon erwähnt dass die Party „we are perverts“ heisst? Neben uns sitzen europäische oder amerikanische Models, die, wie es scheint, ihrem Alltag, bestehend aus Rumsitzen, Rauchen, Trinken und gut aussehen, entfliehen und was tun? Rumsitzen, Rauchen, Trinken und gut aussehen. Der ganze Club ist gefüllt mit Expats und einigen Chinesen. Wir lassen uns mitreissen und tanzen bis in die Nacht zu den hämmernden House-Bässen. Mittlerweile sind wir zu einer Pool Party, Fashion Show, Reit-Tour und zu einem Gratisbesuch in der Bar des Bruders in Xintiandi eingeladen. Welcome to the High Society of Shanghai. Natürlich bezahlen wir keinen müden Yuan in dieser Nacht. Schliesslich sind wir Freunde. Freunde der Nacht. Die letzte Einladung, die Nacht allein mit Aphy in ihrer Villa zu verbringen, habe ich abgelehnt. Dafür ist mir meine Süsse im Aargau viel zu wichtig. Man kann nicht jede Einladung annehmen. Doch wer weiss, vielleicht sieht man uns ja bald auf Fashion TV Shanghai.
Schule
Die Schule erweist sich je länger je mehr als Härtetest. In dieser ernüchternden Dürrezeit müssen wir uns uninteressanten, in schlechtem Englisch gesprochenen Stoff, der eigentlich im 1. Jahr gelehrt wird, anhören. Doch da ist ein kleines Licht am Ende des Tunnel. Ein Lichtblick, der unser Schulleben erträglich macht. Unsere Chinesischlehrerin Xiao Hong Ma (bedeutet „Wolke im Morgenrot). Sie ist (ungewollt) lustiger, als das gesamte Comedy-Programm von Pro7 (Obwohl sie Sarkasmus und Ironie nicht einmal erkennen würde, wenn man sie ihr auf den Kopf hauen würde). Sie hat das Langzeitgedächnis von Dori aus „Finding Nemo“. In jeder Stunde stellt sie uns die Girls aus Mongolien erneut vor. „Maaa kööö (Marc), Ben zzzööö (Benz; Manuel is too much of a challenge), thiiis is Elliga (Erika) and thiiis iis Saaaroman (die heisst wirklich so ähnlich; als ich das zum ersten mal gehört habe, musste ich das Zimmer verlassen um draussen vor Lachen zusammenbrechen zu können). Natürlich hat sie die beiden wieder verwechselt, was in einem Sturm der Entrüstung endete (sie kennt sie ja auch erst seit einem halben Jahr). „thiis gööörrs (girls) al flom Mongooolia and theil iiinglisch iis actually veeeely guuuud.“ Danach richtet sie ihre dauernd herunterrutschende Brille und schmeisst beim Weglaufen wieder irgendwas herunter. Diese Woche waren kurz zwei Herren zu Besuch (sie sahen aus, als kämen sie von einer kommunistischen Geheimorganisation), die den Unterricht inspizierten. Nervös führte sie einen seriösen Unterricht (was man sonst nicht behaupten kann). Als die zwei Herren nach einer halben Stunde den Raum verliessen, sagte sie: „now, iuuu can reeead in sis book, but if you feel too dificööörrt (difficult), iuu can sleeep or eeaat“. Dann fügt sie ein „I’m soooooo thank you for your cooperation, next time i briiing you giiiift“ hinzu. Das war dann wieder zu viel für mich.
Immer wieder werden wir von den aufdringlichen Ramschverkäufer belästigt. Falls ihr mal in Shanghai seid, hier ein paar wirksame Methoden, sie von euch fernzuhalten:
- Eine Vorwärtsrolle auf den Boden machen und schreien „dé guó rén, dé guó rén“ (die Deutschen, die Deutschen), Feldstecher hervornehmen und geheimnisvoll ins Walkie-Talkie „charlie alpha 6-5-2, over“ flüstern
- „no, but do YOU wanna bag, dvds, shoes, sunglasses?” Mantel öffnen und Sammlung präsentieren. Wenn er verwirrt wegläuft, einfach nachlaufen und wiederholen, bis er die Flucht ergreift.
- Erwähne, dass du mit dem “Zerstörer” befreundet bist. (Wirkt auch diversen anderen unliebsamen Situationen)
- (uf schwitzerdüütsch): „du nei los, sorry gäll, aber jetzt esch grad chli ongönschtig“
- Forme Schlitzaugen mit den Fingern und gib ein lächelndes „Schingschangschong“ von dir. Falls das nichts nützt, zähle irgendwas auf: Toshiba, Kawasaki, Yahama, Poulet Sechuan, sching schang schong
Falls diese Methoden nichts nützen und die Herren immer noch hartnäckig an euren Füssen kleben, ruft mich an. Dann rufe ich Aphy an, die lässt sie nach Nordkorea abschieben.
Wochende (beginnt bei uns Donnerstag und endet Dienstag)
Heute (Donnerstag) öffnet die berühmt-berüchtigte Bar Rouge nach der Renovation wieder ihre Pforten. Pre-opening only for invited guests. Mit von der Partie: Marc et moi! Exgüsämua! Nach einem göttlichen indischen Abendessen empfängt uns Aphy (die eigentlich Barbie heisst; wer hat denn hier noch den Durchblick?) in der Bar Rouge, direkt on the bund. Wow! Sprachlos und mit hängenden Kiefern stehen wir da. Auf der riesigen Terrasse sieht man direkt auf die leuchtende, atemberaubende Skyline von Shanghai. Wir werden zum reservierten Tisch gebracht und ein paar Freunden vorgestellt. Tänzerinnen in kurzen Kleidchen und Strapsen tanzen lasziv auf kleinen Bühnen daneben. Divenhaft lässt Aphy die Kellner wie Marionetten tanzen (es kümmern sich etwa 5 Kellner um unseren Tisch). Moetflaschen in brennenden Kübeln, „Luxeburgerli“, Marshmellow-Spiesse, Sandwiches, Melonenschnitze, und diverse alkoholische Getränke werden serviert. Ist nicht’s mehr da, wird einfach wieder aufgefüllt. Wieder sind wir eingeladen. Ich (zufrieden): „Ich liebe mein Leben“, Marc bejaht energisch mit etwa 5 Marshmellows und 6 „Luxeburgerli“ im Mund. Bis spät in die Nacht wird getanzt, getrunken, gegessen, gelacht. Friday night. Schön im Rhythmus bleiben. Wir besuchen Aphys Bruder in der Collectionsbar in Xintiandi, eine Mischung zwischen altmodischem Teahouse und modern designter Bar. Wir lernen Lara und Orelié aus Paris kennen. Wir tanzen bis 3 Uhr morgens und verabschieden uns dann. Samstag. Auf keinen Fall den Rhythmus unterbrechen, davon aber nächstes Mal. Ich muss jetzt ins Paul frühstücken, danach zur Massage und am Abend wartet ein reservierter Tisch im Volar auf uns. Yeah, it’s hard, but you know, someone’s gotta do it!
Sonstige Highlights der Woche
Besuch Old Town Qibao (1.5-stündige Irrfahrt mit der Metro, anschliessend eine schweisstreibende Busfahrt; ich sah mein Leben an mir vorbei ziehen), ein kleiner Stadtteil mit alten chinesischen Häusern und Brücken umgeben von vielen kleinen Shops und Foodangeboten – Besuch in einem buddhistischen Tempel – „Zerstörer“ lauthals am Telefon vor dem Restaurant (die Frauen haben die Kinder ins Haus genommen) – Meine Kreditkarte kann tatsächlich und endlich als Zahlungsmittel eingesetzt werden
Anmerkung
Lieber Hassan
Vielen Dank für deinen Post auf unserem Blog. Wir sind uns dessen Wichtigkeit, gerade den Gesamtzusammenhang betreffend und für das Verständnis des Geschriebenen, durchaus bewusst. Wir haben uns jetzt ein türkisches Namensbuch gekauft, damit wir im Falle, dass wir noch eine Türkin in China kennenlernen, solch peinliche Faux-pas vermeiden können.
„Viiiiel besser“ jauchzte mein Therapeut
Der "Zerstörer" hat gewütet
Montag, 31. März 2008
Sonntag, 23. März 2008
Bonbon, Richy’s, McDonalds
Bisher waren wir ja ziemlich brav, was das Nachtleben hier angeht. Ausser den diversen Restaurant- und Barbesuchen waren wir nicht besonders Nachtaktiv. Das sollte sich letztes Wochenende ändern.
Es ist Freitag und mein Zimmertelefon klingelt. Wer könnte das sein? „Assunçion“, die sich für das Mitbenutzen der über einhundert Franken teuren Clinique-Nachtcrème entschuldigen will, oder „Wachhund“, der über dem Telefon eingeschlafen ist und zufälligerweise 5-1-1 gewählt hat, vielleicht aber auch „der Zerstörer“, die mir eine Glasnudelsuppe aufs Zimmer bringen möchte - alles sehr unwahrscheinlich. Nein, es ist Zeynap, eine sympathische Dänin türkischer Abstammung, welche ich beim Fussballspiel vor 2 Wochen in der Schule kennen gelernt habe und der ich offenbar versprochen hatte, mit ihr und ein paar andern auszugehen. Nun, ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber klar, wir sind dabei, schliesslich ist Wochenende.
Nach einem weiteren köstlichen Abendmahl im „Lan Na Thai“ Restaurant in der wundervollen Gartenanlage des Ruijin Garden Hotels, machen wir uns also auf den Weg in Richtung „Richy’s“. Gemäss Zeynap so etwas wie ein Nachtclub. Sounds like fun! Dort angekommen staunen wir nicht schlecht. Es wimmelt nur so von chinesischen „rich kids“, welche nicht davor zurückschrecken schon mal in Daddy’s Lamborghini oder Ferrari anzufahren. Das Wort „Kommunismus“ dürfte den meisten jungen Leuten hier kein Begriff sein. Die Garderobe ist jedenfalls bereits übervoll mit Mänteln und Handtaschen von Louis Vuitton und dementsprechend auch das innere des schicken Lokals. Wir treffen Zeynap, Carina, Maria, Cristiane, Tolkien und weitere dänische Staatsangehörige. Diese haben sich soeben entschieden das Lokal zu wechseln. Sofort ins nächste Taxi und ab in Richtung „bonbon“. Ein weiterer Treffpunkt für Expats und die Shanghaianer „jeunesse dorée“. Dort angekommen ist es inzwischen Mitternacht und ich habe Durst. Man bezahlt hier 120 Yuan (etwa 18 Franken) Eintritt und bekommt free drinks all night long. 4 Vodka Lemon und 3 Stunden später geht’s per Taxi zurück zu „Richy’s“, wo sich die Gästesitutation inzwischen ein wenig gelockert hat. Man hat jetzt sogar Platz zum tanzen. Das tun wir dann auch, bis uns erneut ein Taxi um 7 Uhr morgens direkt zu McDonalds fährt – Frühstück! Mir ist danach ziemlich übel und Maria (oder war es Carina, who cares) hat inzwischen ihre Schuhe verloren. Schockierte Blicke einiger chinesischer Frühaufsteher begleiten uns zurück ins Hotel. Die Sonne scheint.
Der Samstag beginnt um 4 Uhr Nachmittags und die Nacht verläuft so ziemlich ähnlich wie die soeben beschriebene. Einziger Unterschied: Manu ist aufgrund akuten Schlafmangels nicht mehr dabei und ich lande morgens um 6 Uhr nicht bei McDonalds (chinesisch übrigens mei dao le) sondern in Room 416, wo Zeynap, Carina und Ich McDonalds ins Zimmer kommen lassen. Ist ja auch viel bequemer. Die Sonne scheint schon wieder, als ich um 8 Uhr todmüde in mein Bett falle.
Haoleeeeedi!
Nach einem Wochenende dieser Art gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man erholt sich von den Strapazen und versucht möglichst rasch wieder in den Rhythmus von Tag und Nacht zu gelangen – oder man macht einfach weiter wie bis anhin. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. Erneut mit unseren dänischen Freunden geht’s an diesem Sonntagabend also auf zu „KTV – Haoledi“. Jeder der schon mal in China war, weiss sofort von was wir hier sprechen. Es handelt sich um eine Karaoke-Bar-Kette, welche Landesweit Filialen betreibt und zumindest in Shanghai an jeder Ecke zu finden ist. Wir entscheiden uns für die nächstgelegene Filiale in „Wujiaochang“ und mieten uns dort einen Raum mit Sofa, Plasmabildschirm und natürlich Mikrofonen. Wie überall in China ist auch hier viel zu viel Personal angestellt und jede Arbeitsstelle ist ungefähr 8-mal überbelegt. So gibt es hier also jemanden, der dafür verantwortlich ist, uns die Anlage in Chinesisch zu erklären (zum guten Glück ist Ying dabei, eine Dänin chinesischer Abstammung). Dann gibt es jemanden, der einem die Getränke (in unserem Fall alkoholische Getränke – wir wollen ja heute noch singen!) vom Shop nebenan in den Raum trägt. Und natürlich jemand, der dann jede einzelne Flasche öffnet oder saubermacht, wenn mal was daneben geht. Man wird offenbar erfinderisch bei 1,3 Milliarden Einwohnern. Ich schweife ab. Wir waren bei Karaoke. Ying und Zeynap wählen die ersten Songs aus. Die Stimmung ist noch sehr verhalten. Man kennt sich ja auch erst seit 2 Tagen…ähh, Nächten! Ein paar Stunden und ca. 20 Bacardi Breezer später sieht das schon ganz anders aus. Inzwischen finden wir alles so lustig, dass sogar Songs der Spice Girls oder Emilia’s Big, big Girl gesungen werden. Es ist 5 Uhr morgens. Montagmorgen! In zwei Stunden fährt unser Bus zur Uni. Wir bleiben. Nach einer kleinen Auseinandersetzung mit Cherry-Tomaten und Melonenschnitzen sind wir alle der Meinung dass wir jetzt nach Hause fahren sollten. Wir verlassen KTV und nein, wir sind nicht die Letzten die das tun! Nach einem ausgiebigen Frühstück bei – wie könnte es auch anders sein – McDonalds, geht’s unter die Dusche und ab in den Bus Richtung Uni. Ich brauch ´ne Woche Urlaub.
Von dem Abend existiert übrigens ein überaus skandalöses Video (mit Ton), welches natürlich niemals irgendjemandem gezeigt werden wird J So sind wir!
Die Highlights dieser Woche:
Bootsfahrt auf dem HuangPu River bis zum Yangtze-Delta -> zu sehen gab es futuristische Brücken und vor allem jede Menge Frachtschiffe / Besuch im Shanghai Aquarium mit dem grössten „shark tunnel“ der Welt / Verfrühtes Dinner um 16.00 Uhr bei „Itoya“, einem japanischen Restaurant, inkl. 15 Servicefachkräften, die sich reizend um uns kümmerten / Dinner im „South Beauty“, einem Szechuanese Restaurant (very spicy!) im 10. Stock der gigantischen „Superbrand Mall“ in Pudong / Finance-Unterricht bei einem dänischen „Austauschlehrer“ / Coiffeur-Besuch inkl. halbstündiger Kopfmassage für insgesamt knapp 20 Franken (und das ist in Shanghai ziemlich teuer!) / Risotto, Tapas und Pasta bei „Azul/Viva“ / Besuch der „Lounge 18“, wo uns die skurrile, schwerreiche Chinesin „Aphrodite“ (mhm, die heisst tatsächlich so!) spontan zu irgendwelchen Partys und Fashion Shows einlädt – auf einer dieser Partys waren wir schon, Details folgen das nächste mal!
So, ich muss jetzt zu meiner „hot yoga class“ mit Aphrodite im „Banyan Tree Spa“ – bis nächste Woche J
Bisher waren wir ja ziemlich brav, was das Nachtleben hier angeht. Ausser den diversen Restaurant- und Barbesuchen waren wir nicht besonders Nachtaktiv. Das sollte sich letztes Wochenende ändern.
Es ist Freitag und mein Zimmertelefon klingelt. Wer könnte das sein? „Assunçion“, die sich für das Mitbenutzen der über einhundert Franken teuren Clinique-Nachtcrème entschuldigen will, oder „Wachhund“, der über dem Telefon eingeschlafen ist und zufälligerweise 5-1-1 gewählt hat, vielleicht aber auch „der Zerstörer“, die mir eine Glasnudelsuppe aufs Zimmer bringen möchte - alles sehr unwahrscheinlich. Nein, es ist Zeynap, eine sympathische Dänin türkischer Abstammung, welche ich beim Fussballspiel vor 2 Wochen in der Schule kennen gelernt habe und der ich offenbar versprochen hatte, mit ihr und ein paar andern auszugehen. Nun, ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber klar, wir sind dabei, schliesslich ist Wochenende.
Nach einem weiteren köstlichen Abendmahl im „Lan Na Thai“ Restaurant in der wundervollen Gartenanlage des Ruijin Garden Hotels, machen wir uns also auf den Weg in Richtung „Richy’s“. Gemäss Zeynap so etwas wie ein Nachtclub. Sounds like fun! Dort angekommen staunen wir nicht schlecht. Es wimmelt nur so von chinesischen „rich kids“, welche nicht davor zurückschrecken schon mal in Daddy’s Lamborghini oder Ferrari anzufahren. Das Wort „Kommunismus“ dürfte den meisten jungen Leuten hier kein Begriff sein. Die Garderobe ist jedenfalls bereits übervoll mit Mänteln und Handtaschen von Louis Vuitton und dementsprechend auch das innere des schicken Lokals. Wir treffen Zeynap, Carina, Maria, Cristiane, Tolkien und weitere dänische Staatsangehörige. Diese haben sich soeben entschieden das Lokal zu wechseln. Sofort ins nächste Taxi und ab in Richtung „bonbon“. Ein weiterer Treffpunkt für Expats und die Shanghaianer „jeunesse dorée“. Dort angekommen ist es inzwischen Mitternacht und ich habe Durst. Man bezahlt hier 120 Yuan (etwa 18 Franken) Eintritt und bekommt free drinks all night long. 4 Vodka Lemon und 3 Stunden später geht’s per Taxi zurück zu „Richy’s“, wo sich die Gästesitutation inzwischen ein wenig gelockert hat. Man hat jetzt sogar Platz zum tanzen. Das tun wir dann auch, bis uns erneut ein Taxi um 7 Uhr morgens direkt zu McDonalds fährt – Frühstück! Mir ist danach ziemlich übel und Maria (oder war es Carina, who cares) hat inzwischen ihre Schuhe verloren. Schockierte Blicke einiger chinesischer Frühaufsteher begleiten uns zurück ins Hotel. Die Sonne scheint.
Der Samstag beginnt um 4 Uhr Nachmittags und die Nacht verläuft so ziemlich ähnlich wie die soeben beschriebene. Einziger Unterschied: Manu ist aufgrund akuten Schlafmangels nicht mehr dabei und ich lande morgens um 6 Uhr nicht bei McDonalds (chinesisch übrigens mei dao le) sondern in Room 416, wo Zeynap, Carina und Ich McDonalds ins Zimmer kommen lassen. Ist ja auch viel bequemer. Die Sonne scheint schon wieder, als ich um 8 Uhr todmüde in mein Bett falle.
Haoleeeeedi!
Nach einem Wochenende dieser Art gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man erholt sich von den Strapazen und versucht möglichst rasch wieder in den Rhythmus von Tag und Nacht zu gelangen – oder man macht einfach weiter wie bis anhin. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. Erneut mit unseren dänischen Freunden geht’s an diesem Sonntagabend also auf zu „KTV – Haoledi“. Jeder der schon mal in China war, weiss sofort von was wir hier sprechen. Es handelt sich um eine Karaoke-Bar-Kette, welche Landesweit Filialen betreibt und zumindest in Shanghai an jeder Ecke zu finden ist. Wir entscheiden uns für die nächstgelegene Filiale in „Wujiaochang“ und mieten uns dort einen Raum mit Sofa, Plasmabildschirm und natürlich Mikrofonen. Wie überall in China ist auch hier viel zu viel Personal angestellt und jede Arbeitsstelle ist ungefähr 8-mal überbelegt. So gibt es hier also jemanden, der dafür verantwortlich ist, uns die Anlage in Chinesisch zu erklären (zum guten Glück ist Ying dabei, eine Dänin chinesischer Abstammung). Dann gibt es jemanden, der einem die Getränke (in unserem Fall alkoholische Getränke – wir wollen ja heute noch singen!) vom Shop nebenan in den Raum trägt. Und natürlich jemand, der dann jede einzelne Flasche öffnet oder saubermacht, wenn mal was daneben geht. Man wird offenbar erfinderisch bei 1,3 Milliarden Einwohnern. Ich schweife ab. Wir waren bei Karaoke. Ying und Zeynap wählen die ersten Songs aus. Die Stimmung ist noch sehr verhalten. Man kennt sich ja auch erst seit 2 Tagen…ähh, Nächten! Ein paar Stunden und ca. 20 Bacardi Breezer später sieht das schon ganz anders aus. Inzwischen finden wir alles so lustig, dass sogar Songs der Spice Girls oder Emilia’s Big, big Girl gesungen werden. Es ist 5 Uhr morgens. Montagmorgen! In zwei Stunden fährt unser Bus zur Uni. Wir bleiben. Nach einer kleinen Auseinandersetzung mit Cherry-Tomaten und Melonenschnitzen sind wir alle der Meinung dass wir jetzt nach Hause fahren sollten. Wir verlassen KTV und nein, wir sind nicht die Letzten die das tun! Nach einem ausgiebigen Frühstück bei – wie könnte es auch anders sein – McDonalds, geht’s unter die Dusche und ab in den Bus Richtung Uni. Ich brauch ´ne Woche Urlaub.
Von dem Abend existiert übrigens ein überaus skandalöses Video (mit Ton), welches natürlich niemals irgendjemandem gezeigt werden wird J So sind wir!
Die Highlights dieser Woche:
Bootsfahrt auf dem HuangPu River bis zum Yangtze-Delta -> zu sehen gab es futuristische Brücken und vor allem jede Menge Frachtschiffe / Besuch im Shanghai Aquarium mit dem grössten „shark tunnel“ der Welt / Verfrühtes Dinner um 16.00 Uhr bei „Itoya“, einem japanischen Restaurant, inkl. 15 Servicefachkräften, die sich reizend um uns kümmerten / Dinner im „South Beauty“, einem Szechuanese Restaurant (very spicy!) im 10. Stock der gigantischen „Superbrand Mall“ in Pudong / Finance-Unterricht bei einem dänischen „Austauschlehrer“ / Coiffeur-Besuch inkl. halbstündiger Kopfmassage für insgesamt knapp 20 Franken (und das ist in Shanghai ziemlich teuer!) / Risotto, Tapas und Pasta bei „Azul/Viva“ / Besuch der „Lounge 18“, wo uns die skurrile, schwerreiche Chinesin „Aphrodite“ (mhm, die heisst tatsächlich so!) spontan zu irgendwelchen Partys und Fashion Shows einlädt – auf einer dieser Partys waren wir schon, Details folgen das nächste mal!
So, ich muss jetzt zu meiner „hot yoga class“ mit Aphrodite im „Banyan Tree Spa“ – bis nächste Woche J
Montag, 17. März 2008
Manu erzählt:
Marc und die ver****** Schl****
Wir streiften durch die Nanjing Lu (Hauptschlagader für Tourismus, Neon-Reklame, Prostitution, Haschisch, gefälschten Prada-Taschen undsoweiter), getrieben vom Hunger, pirschend wie Neandertaler auf der Suche nach einem verletzten Gnu. Bisher erwies sich unsere Restaurantwahl, dem Lonely Planet sei Dank, als äusserst erfolgreich. Ob chinesisch, thailändisch, indisch, türkisch, japanisch gegessen haben wir bis jetzt wie die Kaiser in Rom. Diesmal sollte es nicht so sein. Wir begingen einen entscheidenden Fehler: Geniesse dein Abendessen nie, und mit nie meine ich nienienie, am bekanntesten Touristenort einer Stadt. Doch der Hunger schwächte unser Frontallappen, und somit unser rationales Denken entscheidend, was uns dazu brachte, in einen Lift zu steigen um 2 Stöcke höher in einem Touristenrestaurant zu landen. Dort angekommen stiegen wir, zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich unwissend, in Phase 3 des 4-Phasen-Prostitutions-Programms, was wie folgt von statten geht: Phase 1: Ein nichts ahnender, dümmlicher, nach Aufmerksamkeit sich sehnender Expat oder Tourist schlendert durch die Strasse. Plötzlich bemerkt der Gute die Aufmerksamkeit von einer oder von zwei jungen Chinesinnen, die mit unschuldigen, ihn anhimmelnden Engelsmienen versuchen, flüchtige, aber vielsagende Blicke auszutauschen. Phase 2: Das Gespräch wird gesucht, Komplimente werden gemacht (dabei sieht der Gute aus wie Axel Schultz nach einem Kampf), Telefonnummern werden ausgetauscht. Der Touri badet sich nun in einer Wanne voller Bewunderung und Anerkennung und leise säuselt es: „you must be a powerful man“ oder „You are so tall“ Wahrscheinlich könnten die Damen Sätze wie „Eine androide Killerbrigade wird deine Eingeweide dünsten“ oder „Im Chäsegge gets höt vom Emmetaler 3 Kilo för 2“ von sich geben, und der Herr würde sich höflich bedanken und verlegen lächeln. Phase 3: Die Dame(n) begeben sich mit dem Herrn in ein Lokal, um dort dem Alkohol zu frönen. Phase 4 könnt ihr euch denken. (Für diejenigen, die denken, dass ich mit Phase 4 eine Runde Eile-mit-Weile oder ein tiefgründiges Gespräch meine, bitte ruft mich an, wir reden darüber).
Marc und ich werden nun also Zeugen von Phase 3. An fast jedem Tisch sitzt nun ein Kein-Chinese mit einer Sehrwohl-Chinesin. Das Restaurant scheint wirklich nur ein Phase 3- Lokal zu sein. Wir bestellen. Das Essen natürlich. Hinter uns sitzt, nennen wir ihn mal Jürgen das Glubschauge, mit zwei Chinesinnen, an denen sich, sagen wir es diplomatisch, kein Auge weidet. Wir vernehmen, dass Jürgen mit deutschem Akzent vom Fake Market erzählt. Wir, Suchende nach diesem verbotenen Ort, entscheiden uns, Glubschi danach zu fragen. Ich: „I’m sorry to interrupt you guys, but I heard you talking about the Fakemarket..etc.“ Nachdem Glubschi weiss, dass wir aus der Schweiz sind, erläutert er uns auf deutsch, wo sich dieser Markt befindet. Die zwei Augenweiden drehen sich um, und fangen an zu glotzen und zu flüstern. Drehen sich immer wieder um, und es scheint so, als würden sie lieber von Glubschi’s an unseren Tisch wechseln. Verständlich, denn wir haben ja auch keinen Boxkampf hinter uns. Gerade als Glubschi uns erklärt, an welcher Metrostation wir halten sollen, wagt die eine Birke, äh Weide es doch tatsächlich etwas dazwischen zu plärren. Mit dem Wortwitz und dem Charme eines ausrangierten Bahngleises plärrt sie sehr eloquent: „Don’t talk to him, talk to me“. Marc und ich beherrschen mittlerweile die prätentiöse Ignoranz, und zwar bis zur Vollendung. Dies dank den netten Herren, die ganz ungezwungen und unaufdringlich ihre qualitativ hochstehenden Produkte an der Nanjing Lu anbieten (Gucci bags, watches, sun glasses etc..dazu aber später). Also wird die blöde Birke ignoriert, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Kellnerin, die man wegen ihrer sehr sympathischen und gewinnenden Art am liebsten angreifen würde, lächelt schadenfroh wie Gundel Gaukeley und bringt uns eine Rechnung, die unserer Meinung zu hoch ist (Gundel weist dann auf den winzigen Abschnitt auf der Karte hin, auf dem ganz klein geschrieben steht: „Kitchen takes yuen and service charge 10%). Glubschi verabschiedet sich, an dem einen Arm die Birke, an dem anderen die Trauerweide, mit einem Lächeln, als hätte er gerade den Jackpot geknackt. (Viel Spass in Phase 4). Die Kellnerin erklärt uns entnervt und immer noch schadenfroh lächelnd die Rechnung und fügt ein arrogantes „you can have a calculator, if you want“ hinzu.
Nun zu Marc: Marc, mein geschätzter Reisegefährte, kann man als ausgeglichenen, bodenständigen, witzigen und angenehmen Gesellen bezeichnen, der keinem schleichenden Rentner auf dem Gehsteig jegliches Leid zufügen könnte. Doch heute Abend, in unbekannter Manier, nimmt eine cholerische, mir bisher unbekannte Macht Besitz über ihn und lässt ihn beim Verlassen des Lokals ein „du ver****** Schl****!“ aussprechen. Ha! Der hast du’s gegeben! Die macht heute kein Auge mehr zu! Grosses Erleichtern macht sich bei mir breit, denn ich fühle mich nicht mehr so allein, wenn sich wieder mal ein Anzeichen von Cholerik bei mir breit macht, z.B. erkennbar in folgenden Situationen (um nur ein paar zu nennen): im Auto (Alle 60-in-80er-Zonen-Fahrer, 60-in-30er-Zonen-Fahrer, Lern- und Lastwagenfahrer scheinen einen Geheimbund geschlossen zu haben, mit dem Ziel, meine eigene, honigsüsse Traumwelt, in der z.B. Vokuhila-Frisuren verboten sind und James Blunt seine Stimme verloren hat, zur Hölle zu machen), beim Geruch von Oliven und Zimt, beim Weihnachtseinkauf, wenn elektronische Geräte nicht funktionieren (das tun sie fast nie), oder am Buffet. Nehmt euch am Buffet einmal 5 Minuten Zeit, um die gierige Schar, die in diesem Moment jegliches, über tausende von Jahren evolutionär erlerntes soziales und moralisches Verhalten über den Haufen wirft, zu beobachten. Wie Geier um das Aas fürchtet jeder, das letzte Schnitzel oder die letzten Krokettli an seinen nächsten Buffetkontrahenten zu verlieren (Ich weiss, das Leben ist ein Wettbewerb und ein einziger Wettlauf, aber Leute, die füllen wieder auf!). Zurück zum Thema. Wir verabschieden uns also mehr oder weniger höflich und verlassen Phase 3, ohne in Phase 4 zu geleiten. Dafür gibt’s noch Ice cream bei Hägendazs. Viel besser als Phase 4 mit Trauerweide.
Hexe gefällig?
Wie versprochen, zurück zu den grinsenden, unaufdringlichen Herren, die die Stadt mit ihren gefälschten Produkten überfluten. Diese Typen scheinen alle am selben „Wie-verkaufe-ich-meinen-Ramsch-an-Touristen-Fern-Seminar“ teilgenommen zu haben. Das geht dann so: „Hello Sir wanna watch, dvds, bags, shoes, sunglasses? Cheap Cheap, looki looki“ (es war halt nur ein Fernseminar). Wieder einmal kämpfen wir uns durch die Schar von Anbietern, als sich plötzlich ein kleiner, untersetzter Mann entschliesst, ein Stück mit mir zu gehen und auf mich einzureden. Zuerst das Übliche: „Hello Sir wanna watch, dvds, etc.” Als ich dann mit meiner mittlerweile schon beeindruckend schnell erlernten, prätentiösen Ignoranz keine Anzeichen von Interesse signalisiere, sagt der Zwerg plötzlich: „You wanna witch? Sir? You wanna witch?“: Überprüfung: watch check, DVD check, sunglasses check, witch che... haaaaaaaalt!..eine Hexe fehlt!! Konsumorientiert und oberflächlich wie ich bin, gefriert mir fast das Blut in den Adern, in panischer Angst, dieses scheinbar neue must-have (noch) nicht zu meinen Habseligkeiten zählen zu können und in den besseren Kreisen (ich verkehre selbstverständlich nur in diesen) nicht mehr als „flamboyant“ zu gelten. Doch ein bisschen perplex über diese paradoxe Frage, stelle ich mir vor, wie ich dem Vertrauen erweckenden Herrn auf einen Hinterhof folge, dort in eine kleine, spartanische Blechhütte geführt werde, wo ein schrumplige, schauernd glucksende Hexe mit Hautüberwucherungen in einer Ecke kauert. Nach harten, aber fairen Verhandlungen kaufe ich die Hexe für 1000 Yuen und bekomme noch ein Knoblauchumhang, 3 geschliffene Silberpfeile, ein Duftkerzenset und einen Nimbus 3000 gratis dazu. Ich verlasse, mit tiefer Genugtuung, die Blechhütte mit einer nigelnagelneuen Hexe, inklusiv Zubehör. Jedoch muss ich davon ausgehen, dass sie gefälscht ist. Doch wen interessiert das schon? Ich würde sogar behaupten, die falsche ist fast nicht von den echten zu unterscheiden. Hoffentlich hat der nette Herr mir eine Bedienungsanleitung in englischer Sprache mitgegeben. Falls nicht, muss ich halt die Trauerweide oder evtl. Priska um Übersetzungshilfe anfragen.
Der nette Unbekannte
Sehr geehrter Herr Unbekannt. Ich beziehe mich auf Ihren Besuch letzten Sonntag im Costa Café am People Square. Sehr zu meinem Bedauern war es mir nicht möglich, Ihre Bekanntschaft zu machen, während Sie sich meisterhaft meines Hab und Gutes bemächtigten. Thomas Crown wäre nur ein Schatten seines Selbst gewesen und könnte sich ein Stück von Ihnen abschneiden. Ich hoffe Sie finden Verwendung für meine Identitätskarte, Metrokarte, Hotelkarte, Bankkarte, Companys-Bonus-Karte, meine Privatfotos, Visitenkarten und mein Geld. Nehmt von den gut Betuchten (und Konsumorientierten) und gebt es den unehrlichen, nichtsnutzigen Aasgeiern und Despoten dieser Stadt. Ich hoffe Sie schmoren in der Hölle. Du ver****** Schl**** (das habe ich von Marc). Wenn ich dich erwische, würg ich dich mit meinem Ipod-Kabel (auch das ist von Marc).
Dieser Brief gehört zu meiner Therapie und soll helfen meinen Verlust zu verkraften. Mein Therapeut meint, der Anfang wäre nicht schlecht, der Schluss müsse noch einmal überarbeitet werden. Ich habe einen Aschenbecher nach ihm geworfen.
Highlights der Woche
Besuch im idyllischen Century Park, eingebettet mitten in der Stadt. Ein friedliches Plätzchen mit einem Restaurant, das wir ebenfalls aufsuchten. Dort angekommen, erwartet uns eine Armada von Kellnerinnen (wir sind die einzigen Gäste). Diese bringen uns an einen Platz und bringen uns die Karte. Leider war alles auf der Karte „duibuqi, mei you la –sorry, haben wir nicht mehr“, also gingen wir wieder. Vielleicht sollten sie ihr Konzept nochmals überdenken.
Besuch in den Yuyuan Gardens (Wunderschöne Garten- und Felsformationen, umzäunt von altertümlichen Mauern und chinesischen Häusern) - Temple of the town gods – Indischer Gaumenschmaus im Hazara – „Zerstörer“ auf dem Fahrrad, winkend wie ein frischgekröntes Prinzesschen – People 6, genauso mysteriös und sensationell wie People 7 – Thailändisches Essin im Lan na thai – Durchfeiern bis zum Morgengrauen im Club Richys mit dänischen Austauschstudenten – Karaoke bis zum Morgengrauen im KTV mit dänischen Austauschstudenten
Yuyuan Gardens
Marc und die ver****** Schl****
Wir streiften durch die Nanjing Lu (Hauptschlagader für Tourismus, Neon-Reklame, Prostitution, Haschisch, gefälschten Prada-Taschen undsoweiter), getrieben vom Hunger, pirschend wie Neandertaler auf der Suche nach einem verletzten Gnu. Bisher erwies sich unsere Restaurantwahl, dem Lonely Planet sei Dank, als äusserst erfolgreich. Ob chinesisch, thailändisch, indisch, türkisch, japanisch gegessen haben wir bis jetzt wie die Kaiser in Rom. Diesmal sollte es nicht so sein. Wir begingen einen entscheidenden Fehler: Geniesse dein Abendessen nie, und mit nie meine ich nienienie, am bekanntesten Touristenort einer Stadt. Doch der Hunger schwächte unser Frontallappen, und somit unser rationales Denken entscheidend, was uns dazu brachte, in einen Lift zu steigen um 2 Stöcke höher in einem Touristenrestaurant zu landen. Dort angekommen stiegen wir, zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich unwissend, in Phase 3 des 4-Phasen-Prostitutions-Programms, was wie folgt von statten geht: Phase 1: Ein nichts ahnender, dümmlicher, nach Aufmerksamkeit sich sehnender Expat oder Tourist schlendert durch die Strasse. Plötzlich bemerkt der Gute die Aufmerksamkeit von einer oder von zwei jungen Chinesinnen, die mit unschuldigen, ihn anhimmelnden Engelsmienen versuchen, flüchtige, aber vielsagende Blicke auszutauschen. Phase 2: Das Gespräch wird gesucht, Komplimente werden gemacht (dabei sieht der Gute aus wie Axel Schultz nach einem Kampf), Telefonnummern werden ausgetauscht. Der Touri badet sich nun in einer Wanne voller Bewunderung und Anerkennung und leise säuselt es: „you must be a powerful man“ oder „You are so tall“ Wahrscheinlich könnten die Damen Sätze wie „Eine androide Killerbrigade wird deine Eingeweide dünsten“ oder „Im Chäsegge gets höt vom Emmetaler 3 Kilo för 2“ von sich geben, und der Herr würde sich höflich bedanken und verlegen lächeln. Phase 3: Die Dame(n) begeben sich mit dem Herrn in ein Lokal, um dort dem Alkohol zu frönen. Phase 4 könnt ihr euch denken. (Für diejenigen, die denken, dass ich mit Phase 4 eine Runde Eile-mit-Weile oder ein tiefgründiges Gespräch meine, bitte ruft mich an, wir reden darüber).
Marc und ich werden nun also Zeugen von Phase 3. An fast jedem Tisch sitzt nun ein Kein-Chinese mit einer Sehrwohl-Chinesin. Das Restaurant scheint wirklich nur ein Phase 3- Lokal zu sein. Wir bestellen. Das Essen natürlich. Hinter uns sitzt, nennen wir ihn mal Jürgen das Glubschauge, mit zwei Chinesinnen, an denen sich, sagen wir es diplomatisch, kein Auge weidet. Wir vernehmen, dass Jürgen mit deutschem Akzent vom Fake Market erzählt. Wir, Suchende nach diesem verbotenen Ort, entscheiden uns, Glubschi danach zu fragen. Ich: „I’m sorry to interrupt you guys, but I heard you talking about the Fakemarket..etc.“ Nachdem Glubschi weiss, dass wir aus der Schweiz sind, erläutert er uns auf deutsch, wo sich dieser Markt befindet. Die zwei Augenweiden drehen sich um, und fangen an zu glotzen und zu flüstern. Drehen sich immer wieder um, und es scheint so, als würden sie lieber von Glubschi’s an unseren Tisch wechseln. Verständlich, denn wir haben ja auch keinen Boxkampf hinter uns. Gerade als Glubschi uns erklärt, an welcher Metrostation wir halten sollen, wagt die eine Birke, äh Weide es doch tatsächlich etwas dazwischen zu plärren. Mit dem Wortwitz und dem Charme eines ausrangierten Bahngleises plärrt sie sehr eloquent: „Don’t talk to him, talk to me“. Marc und ich beherrschen mittlerweile die prätentiöse Ignoranz, und zwar bis zur Vollendung. Dies dank den netten Herren, die ganz ungezwungen und unaufdringlich ihre qualitativ hochstehenden Produkte an der Nanjing Lu anbieten (Gucci bags, watches, sun glasses etc..dazu aber später). Also wird die blöde Birke ignoriert, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Kellnerin, die man wegen ihrer sehr sympathischen und gewinnenden Art am liebsten angreifen würde, lächelt schadenfroh wie Gundel Gaukeley und bringt uns eine Rechnung, die unserer Meinung zu hoch ist (Gundel weist dann auf den winzigen Abschnitt auf der Karte hin, auf dem ganz klein geschrieben steht: „Kitchen takes yuen and service charge 10%). Glubschi verabschiedet sich, an dem einen Arm die Birke, an dem anderen die Trauerweide, mit einem Lächeln, als hätte er gerade den Jackpot geknackt. (Viel Spass in Phase 4). Die Kellnerin erklärt uns entnervt und immer noch schadenfroh lächelnd die Rechnung und fügt ein arrogantes „you can have a calculator, if you want“ hinzu.
Nun zu Marc: Marc, mein geschätzter Reisegefährte, kann man als ausgeglichenen, bodenständigen, witzigen und angenehmen Gesellen bezeichnen, der keinem schleichenden Rentner auf dem Gehsteig jegliches Leid zufügen könnte. Doch heute Abend, in unbekannter Manier, nimmt eine cholerische, mir bisher unbekannte Macht Besitz über ihn und lässt ihn beim Verlassen des Lokals ein „du ver****** Schl****!“ aussprechen. Ha! Der hast du’s gegeben! Die macht heute kein Auge mehr zu! Grosses Erleichtern macht sich bei mir breit, denn ich fühle mich nicht mehr so allein, wenn sich wieder mal ein Anzeichen von Cholerik bei mir breit macht, z.B. erkennbar in folgenden Situationen (um nur ein paar zu nennen): im Auto (Alle 60-in-80er-Zonen-Fahrer, 60-in-30er-Zonen-Fahrer, Lern- und Lastwagenfahrer scheinen einen Geheimbund geschlossen zu haben, mit dem Ziel, meine eigene, honigsüsse Traumwelt, in der z.B. Vokuhila-Frisuren verboten sind und James Blunt seine Stimme verloren hat, zur Hölle zu machen), beim Geruch von Oliven und Zimt, beim Weihnachtseinkauf, wenn elektronische Geräte nicht funktionieren (das tun sie fast nie), oder am Buffet. Nehmt euch am Buffet einmal 5 Minuten Zeit, um die gierige Schar, die in diesem Moment jegliches, über tausende von Jahren evolutionär erlerntes soziales und moralisches Verhalten über den Haufen wirft, zu beobachten. Wie Geier um das Aas fürchtet jeder, das letzte Schnitzel oder die letzten Krokettli an seinen nächsten Buffetkontrahenten zu verlieren (Ich weiss, das Leben ist ein Wettbewerb und ein einziger Wettlauf, aber Leute, die füllen wieder auf!). Zurück zum Thema. Wir verabschieden uns also mehr oder weniger höflich und verlassen Phase 3, ohne in Phase 4 zu geleiten. Dafür gibt’s noch Ice cream bei Hägendazs. Viel besser als Phase 4 mit Trauerweide.
Hexe gefällig?
Wie versprochen, zurück zu den grinsenden, unaufdringlichen Herren, die die Stadt mit ihren gefälschten Produkten überfluten. Diese Typen scheinen alle am selben „Wie-verkaufe-ich-meinen-Ramsch-an-Touristen-Fern-Seminar“ teilgenommen zu haben. Das geht dann so: „Hello Sir wanna watch, dvds, bags, shoes, sunglasses? Cheap Cheap, looki looki“ (es war halt nur ein Fernseminar). Wieder einmal kämpfen wir uns durch die Schar von Anbietern, als sich plötzlich ein kleiner, untersetzter Mann entschliesst, ein Stück mit mir zu gehen und auf mich einzureden. Zuerst das Übliche: „Hello Sir wanna watch, dvds, etc.” Als ich dann mit meiner mittlerweile schon beeindruckend schnell erlernten, prätentiösen Ignoranz keine Anzeichen von Interesse signalisiere, sagt der Zwerg plötzlich: „You wanna witch? Sir? You wanna witch?“: Überprüfung: watch check, DVD check, sunglasses check, witch che... haaaaaaaalt!..eine Hexe fehlt!! Konsumorientiert und oberflächlich wie ich bin, gefriert mir fast das Blut in den Adern, in panischer Angst, dieses scheinbar neue must-have (noch) nicht zu meinen Habseligkeiten zählen zu können und in den besseren Kreisen (ich verkehre selbstverständlich nur in diesen) nicht mehr als „flamboyant“ zu gelten. Doch ein bisschen perplex über diese paradoxe Frage, stelle ich mir vor, wie ich dem Vertrauen erweckenden Herrn auf einen Hinterhof folge, dort in eine kleine, spartanische Blechhütte geführt werde, wo ein schrumplige, schauernd glucksende Hexe mit Hautüberwucherungen in einer Ecke kauert. Nach harten, aber fairen Verhandlungen kaufe ich die Hexe für 1000 Yuen und bekomme noch ein Knoblauchumhang, 3 geschliffene Silberpfeile, ein Duftkerzenset und einen Nimbus 3000 gratis dazu. Ich verlasse, mit tiefer Genugtuung, die Blechhütte mit einer nigelnagelneuen Hexe, inklusiv Zubehör. Jedoch muss ich davon ausgehen, dass sie gefälscht ist. Doch wen interessiert das schon? Ich würde sogar behaupten, die falsche ist fast nicht von den echten zu unterscheiden. Hoffentlich hat der nette Herr mir eine Bedienungsanleitung in englischer Sprache mitgegeben. Falls nicht, muss ich halt die Trauerweide oder evtl. Priska um Übersetzungshilfe anfragen.
Der nette Unbekannte
Sehr geehrter Herr Unbekannt. Ich beziehe mich auf Ihren Besuch letzten Sonntag im Costa Café am People Square. Sehr zu meinem Bedauern war es mir nicht möglich, Ihre Bekanntschaft zu machen, während Sie sich meisterhaft meines Hab und Gutes bemächtigten. Thomas Crown wäre nur ein Schatten seines Selbst gewesen und könnte sich ein Stück von Ihnen abschneiden. Ich hoffe Sie finden Verwendung für meine Identitätskarte, Metrokarte, Hotelkarte, Bankkarte, Companys-Bonus-Karte, meine Privatfotos, Visitenkarten und mein Geld. Nehmt von den gut Betuchten (und Konsumorientierten) und gebt es den unehrlichen, nichtsnutzigen Aasgeiern und Despoten dieser Stadt. Ich hoffe Sie schmoren in der Hölle. Du ver****** Schl**** (das habe ich von Marc). Wenn ich dich erwische, würg ich dich mit meinem Ipod-Kabel (auch das ist von Marc).
Dieser Brief gehört zu meiner Therapie und soll helfen meinen Verlust zu verkraften. Mein Therapeut meint, der Anfang wäre nicht schlecht, der Schluss müsse noch einmal überarbeitet werden. Ich habe einen Aschenbecher nach ihm geworfen.
Highlights der Woche
Besuch im idyllischen Century Park, eingebettet mitten in der Stadt. Ein friedliches Plätzchen mit einem Restaurant, das wir ebenfalls aufsuchten. Dort angekommen, erwartet uns eine Armada von Kellnerinnen (wir sind die einzigen Gäste). Diese bringen uns an einen Platz und bringen uns die Karte. Leider war alles auf der Karte „duibuqi, mei you la –sorry, haben wir nicht mehr“, also gingen wir wieder. Vielleicht sollten sie ihr Konzept nochmals überdenken.
Besuch in den Yuyuan Gardens (Wunderschöne Garten- und Felsformationen, umzäunt von altertümlichen Mauern und chinesischen Häusern) - Temple of the town gods – Indischer Gaumenschmaus im Hazara – „Zerstörer“ auf dem Fahrrad, winkend wie ein frischgekröntes Prinzesschen – People 6, genauso mysteriös und sensationell wie People 7 – Thailändisches Essin im Lan na thai – Durchfeiern bis zum Morgengrauen im Club Richys mit dänischen Austauschstudenten – Karaoke bis zum Morgengrauen im KTV mit dänischen Austauschstudenten
Yuyuan Gardens
Samstag, 8. März 2008
Marc erzählt:
Smog!
Yepaaa! Es ist Frühling! Lange Unterwäsche zurück in den Koffer und raus an die … - beinahe hätte ich gesagt „frische“ Luft. Vier Monate Shanghai sind wahrscheinlich etwa gleichermassen gesund wie 10 Jahre Kettenrauchen oder ein Jahr Vegetarier (jaja, schon gut, 2 Jahre Vegetarier!).
Der Klassische OP-Mundschutz scheint aber selbst hier etwas aus der Mode gekommen zu sein, man sieht nur höchst selten jemanden damit auf der Strasse. Eine schlechte Idee wäre der aber sicherlich nicht. Mal abwarten, vielleicht werfen Prada & Co. ja bald die ersten Designer-Mundschütze auf den Markt. So einen hole ich mir dann ein paar Tage später hier auf dem lokalen „Fake Market“.
Dienstag ist Ruhetag!
“The negotiation result is, you can cancel marketing and just enjoy the process“ – Hää? Um uns vom Grundlagen-Marketingunterricht zu suspendieren, für den wir jeweils dienstags wegen 90 Minuten zur Uni fahren sollten, benötigt man in China offenbar mehrere „negotiations“. Nun ja, uns soll es recht sein, die Lehrerin dieses Kurses hatte in Etwa gleich viel Ahnung von Marketing wie das Schweizer Fernsehen von „Entertainment“.
Dienstag ist ab jetzt also unser Tag „zur freien Verfügung“. Was gäbe es da schöneres als mit einem ausgiebigen „petit déjeuner“ im „chez Paul“ in den Tag zu starten. Dort werden uns die freundlichen, schlitzäugigen Bäckersdamen schon bald mit vollem Namen begrüssen, wenn das so weitergeht. Der frischgepresste Orangensaft war aber leider schon wieder „finished“. Auch so eine Sache in China, die Hälfte der Speisekarte ist meistens „excuse me but finished“. Dies sogar in mehr oder weniger teuren Lokalitäten. Nach dieser mittelschweren Enttäuschung und ohne Vitamin-C-Stärkung waren wir bereit für einen Besuch im „Dragonfly Spa“. Eine 30-minütige „Head and Shoulders-Massage“ sollte es diesmal sein. Meine nette Masseuse dürfte allerdings eher eine Ausbildung zur Fleischerei Fachverkäuferin genossen haben als jene zur Masseurin, aber dies nur am Rande. Die Kopfschmerzen waren auf jeden Fall wie weggeblasen.
Nachmittags war dann Fussball angesagt, zumindest für Manu. Resultat: Schürfwunden an ungünstigen Stellen und – erneut – Kopfschmerzen! Ich unterhielt mich inzwischen mit unseren europäischen Kollegen aus Dänemark, welche jedes Jahr für einen Monat nach Shanghai fliegen um Chinesisch zu lernen. Na gut, ein chinesisches Wort hörte ich an diesem Nachmittag keines, aber die vielen Karaoke-Bars im nahe gelegenen Zentrum „Wujiaochang“ sollen ganz nett sein. Wir werden sehenJ!
„mhhhh – wääää“
Das bisher beste Nachtessen hier in Shanghai war jenes im „Simply Thai“. Wie der Name schon sagt, ein thailändisches Lokal. Nett eingerichtet und offenbar bei Expats sehr beliebt, was immer schon mal ein gutes Zeichen ist. Mein BBQ-Chicken und Manu’s Nudeln „maybe little bit spicy“ waren jedenfalls göttlich!
Weniger appetitlich war die darauf folgende U-Bahnfahrt, während der eine junge Chinesin – keine Zierde ihres Geschlechts - ihre ganze Ladung „Poulet Szechuan“ auf den Boden des U-Bahnwagens schmetterte. Bon appétit! Die Dame war dann noch besonders schlau und deckte das Kunstwerk diskret mit ihrer Jacke ab. Und ja richtig, die nahm sie danach auch wieder mit. Solche Szenen bieten sonst nur die Zürcher Streetparade oder etwa das Schwing- und Älplerfest, wobei da der Output wohl kaum „Poulet Szechuan“ sein dürfte.
Das verrückte Hotel
Ja, unser Zuhause hier hatten wir uns ursprünglich ganz anders vorgestellt. Doch nach der Ankunft hier im Hong Sen Hotel an der Min Xing Lú im Yang Pu District (nicht wichtig, klingt aber ziemlich cool!) war für uns schnell klar, hier werden wir bleiben! Dies nicht zuletzt auch wegen den zahlreichen skurrilen Gestalten, die dieses Haus so zu bieten hat. Da hätten wir zum einen die immerfreundliche und dauerhaft lächelnde Reinigungskraft, wir nennen sie Assunçion. Von Diskretion oder Privatsphäre hat sie zwar noch nie etwas gehört, aber ihren Job erledigt sie stets makellos. Dann gibt es da noch den wohl faulsten Chinesen aller Zeiten, welcher in diesem Hotel offenbar für die Sicherheit zuständig wäre. Wir nennen ihn liebevoll „Wachhund“. Jedoch döst der lieber auf zwei Sesseln in der Lobby vor sich hin als etwa den Hoteleingang zu überwachen. Nicht einmal eine grössere Militärparade würde den guten Herren aus dem Schlaf reissen. Sollte er sich dann doch einmal in Bewegung setzen, dann tut er dies mit ungefähr dem Tempo einer Wanderdüne. Des Weiteren wäre da die charmante Restaurantbesitzerin von nebenan, auch genannt „der Zerstörer“. Eine schillernde Dame mittleren Alters mit einer Bikini-Zone grösser als Liechtenstein und dem Charme einer Flughafentoilette. Nicht zu vergessen auch die „skeptische Nina“, welche so was wie die Quartiermutter zu sein scheint. Die gute Frau sieht uns zwar jeden Abend vorbeigehen, doch ihr Blick bleibt skeptisch und bitterböse. Zu guter Letzt ist da natürlich noch Priska vom Internetcafé, aber die sollte euch ja bereits bekannt sein. Letztere scheint übrigens gerade beurlaubt zu sein. Vielleicht besucht sie aber auch nur ein Weiterbildungsseminar in „how to ignore my clients in a really rude way“.
Nein nein, wir wollen mal nicht so sein, es gefällt uns wirklich hier im Hong Sen und wir möchten keinen der oben erwähnten Personen hier missen. Die nehmen wir alle mit nach Hause!
Das verdiente Essen
Das Mittagessen an der Uni beschränkt sich in unserem Fall derweil auf einen übergrossen Joghurt-Becher und mehrere Packungen Kartoffelchips. Alles andere im winzigen Uni-Shop macht entweder den Anschein als wäre es aus China (Moment, wir sind in China!) oder es ist schlichtweg undefinierbar. Kurz: wir sterben fast vor Hunger am Abend! An diesem Freitag soll es also das People 7 in der „French Concession“ sein. „It doesn’t get any cooler than this“, behauptet Lonely Planet und „it doesn’t get any more complicated than this“, behaupten wir. Das Restaurant ist in Etwa gleich schwer zu finden wie eine natürliche Stelle im Gesicht von Barbara Streisand, schlichtweg unmöglich. Nur durch lösen eines originellen Rätsels öffnet sich die Tür zum Restaurant. Nach mehreren Versuchen unsererseits, eine der beiden Eingangstüren zu öffnen, nähert sich eine amerikanische Reisegruppe mit dem gleichen Vorhaben. Der Vorteil an amerikanischen Reisegruppen ist ja, sie sind meist noch dümmer als man selbst, man muss sich also kaum blamieren (der Vorteil an Schweizer Reisegruppen übrigens: es gibt keine!). Nun, das Rätsel war irgendwann gelöst und die Tür zum People 7 öffnete sich von selbst. Das Restaurant ist sehr dezent und dunkel gestaltet und „it really doesn’t get any cooler than this“. Von der Bar zu den Toiletten, über die schwarzen Stäbchen bis hin zur schwarzen Stoffserviette, alles ist irgendwie ziemlich cool. Nach dem Essen befinde ich mich in einem postkoitalen Zustand und der Long Island Ice Tea danach setzt noch einen drauf. Leicht angeduselt geht’s zurück ins Hotel wo ich die Tür zur 513 zu öffnen versuche, was allerdings nicht klappt, was eventuell daran liegt, dass ich eigentlich in der 511 einquartiert bin. Der Chinese von der 513 lässt mich das auch lautstark wissen, worauf ich dann doch noch in der 511 lande. Man kann ja auch schwierig tun J
Nervous breakdown
Nun, ich würde mich generell nicht als cholerischen Menschen bezeichnen (obwohl da meine treue Reisebegleitung Manu natürlich ganz anderer Meinung ist, aber dies kann er selber darstellen). Aggressiv werde ich ja üblicherweise nur bei umweltbewussten, Grüntee-trinkenden Sozialpädagogen, bei notorischen Korrekt-Autofahrern oder bei Musik von Stefan Eicher. Diese Woche in der U-Bahn aber, konnte ich mich vor Aggression kaum halten. Ein geschäftstüchtiger Chinese hatte sich fest vorgenommen, mich während der 30-minütigen Fahrt ins Zentrum in den Tod zu reden. Nach anfänglichem Smalltalk in unverständlichem Englisch wollte der dann plötzlich meine Telefonnummer haben und mich ständig davon überzeugen, in seinen eigenhändig gegründeten Badminton-Club beizutreten oder mit ihm irgendwelche krummen Geschäfte abzuwickeln. In Gedanken überlegte ich mir ein Würgeverfahren mit meinem I-pod-Kabel, welches den jungen Mann am schnellsten aus dem Verkehr ziehen würde. Ok, ich neige zur Übertreibung, aber 30 Minuten können schon eine sehr, sehr lange Zeit sein.
Weitere Highlights dieser Woche:
Streifzug durch ca. 5 Shopping-Malls in „Wujiaochang“ auf der Suche nach einem Gym // Dinner im „1001 Nights“ incl. Arabischer Bauchtanzshow // günstigstes Nachtessen aller Zeiten „Shanghai Noodles“ // Dessert bei Häägen Dazs (zum dreifachen Preis wie das vorherige dinner bei „Shanghai Noodles“ // Besuch im Jing-An Tempel // Fake-DVD-Store „Hollywood“ (Ja, Glück ist käuflich!) // teuerstes Nachtessen aller Zeiten im „Va Bene“ at Xintiandi // Comedy-Show in der „Glamour Bar“
So, und jetzt entschuldigt mich, Assunçion ist gerade reingestürmt und will mein Bett frisch beziehen. Bis nächste Woche – Zài jiàn!
Schulwand
Smog!
Yepaaa! Es ist Frühling! Lange Unterwäsche zurück in den Koffer und raus an die … - beinahe hätte ich gesagt „frische“ Luft. Vier Monate Shanghai sind wahrscheinlich etwa gleichermassen gesund wie 10 Jahre Kettenrauchen oder ein Jahr Vegetarier (jaja, schon gut, 2 Jahre Vegetarier!).
Der Klassische OP-Mundschutz scheint aber selbst hier etwas aus der Mode gekommen zu sein, man sieht nur höchst selten jemanden damit auf der Strasse. Eine schlechte Idee wäre der aber sicherlich nicht. Mal abwarten, vielleicht werfen Prada & Co. ja bald die ersten Designer-Mundschütze auf den Markt. So einen hole ich mir dann ein paar Tage später hier auf dem lokalen „Fake Market“.
Dienstag ist Ruhetag!
“The negotiation result is, you can cancel marketing and just enjoy the process“ – Hää? Um uns vom Grundlagen-Marketingunterricht zu suspendieren, für den wir jeweils dienstags wegen 90 Minuten zur Uni fahren sollten, benötigt man in China offenbar mehrere „negotiations“. Nun ja, uns soll es recht sein, die Lehrerin dieses Kurses hatte in Etwa gleich viel Ahnung von Marketing wie das Schweizer Fernsehen von „Entertainment“.
Dienstag ist ab jetzt also unser Tag „zur freien Verfügung“. Was gäbe es da schöneres als mit einem ausgiebigen „petit déjeuner“ im „chez Paul“ in den Tag zu starten. Dort werden uns die freundlichen, schlitzäugigen Bäckersdamen schon bald mit vollem Namen begrüssen, wenn das so weitergeht. Der frischgepresste Orangensaft war aber leider schon wieder „finished“. Auch so eine Sache in China, die Hälfte der Speisekarte ist meistens „excuse me but finished“. Dies sogar in mehr oder weniger teuren Lokalitäten. Nach dieser mittelschweren Enttäuschung und ohne Vitamin-C-Stärkung waren wir bereit für einen Besuch im „Dragonfly Spa“. Eine 30-minütige „Head and Shoulders-Massage“ sollte es diesmal sein. Meine nette Masseuse dürfte allerdings eher eine Ausbildung zur Fleischerei Fachverkäuferin genossen haben als jene zur Masseurin, aber dies nur am Rande. Die Kopfschmerzen waren auf jeden Fall wie weggeblasen.
Nachmittags war dann Fussball angesagt, zumindest für Manu. Resultat: Schürfwunden an ungünstigen Stellen und – erneut – Kopfschmerzen! Ich unterhielt mich inzwischen mit unseren europäischen Kollegen aus Dänemark, welche jedes Jahr für einen Monat nach Shanghai fliegen um Chinesisch zu lernen. Na gut, ein chinesisches Wort hörte ich an diesem Nachmittag keines, aber die vielen Karaoke-Bars im nahe gelegenen Zentrum „Wujiaochang“ sollen ganz nett sein. Wir werden sehenJ!
„mhhhh – wääää“
Das bisher beste Nachtessen hier in Shanghai war jenes im „Simply Thai“. Wie der Name schon sagt, ein thailändisches Lokal. Nett eingerichtet und offenbar bei Expats sehr beliebt, was immer schon mal ein gutes Zeichen ist. Mein BBQ-Chicken und Manu’s Nudeln „maybe little bit spicy“ waren jedenfalls göttlich!
Weniger appetitlich war die darauf folgende U-Bahnfahrt, während der eine junge Chinesin – keine Zierde ihres Geschlechts - ihre ganze Ladung „Poulet Szechuan“ auf den Boden des U-Bahnwagens schmetterte. Bon appétit! Die Dame war dann noch besonders schlau und deckte das Kunstwerk diskret mit ihrer Jacke ab. Und ja richtig, die nahm sie danach auch wieder mit. Solche Szenen bieten sonst nur die Zürcher Streetparade oder etwa das Schwing- und Älplerfest, wobei da der Output wohl kaum „Poulet Szechuan“ sein dürfte.
Das verrückte Hotel
Ja, unser Zuhause hier hatten wir uns ursprünglich ganz anders vorgestellt. Doch nach der Ankunft hier im Hong Sen Hotel an der Min Xing Lú im Yang Pu District (nicht wichtig, klingt aber ziemlich cool!) war für uns schnell klar, hier werden wir bleiben! Dies nicht zuletzt auch wegen den zahlreichen skurrilen Gestalten, die dieses Haus so zu bieten hat. Da hätten wir zum einen die immerfreundliche und dauerhaft lächelnde Reinigungskraft, wir nennen sie Assunçion. Von Diskretion oder Privatsphäre hat sie zwar noch nie etwas gehört, aber ihren Job erledigt sie stets makellos. Dann gibt es da noch den wohl faulsten Chinesen aller Zeiten, welcher in diesem Hotel offenbar für die Sicherheit zuständig wäre. Wir nennen ihn liebevoll „Wachhund“. Jedoch döst der lieber auf zwei Sesseln in der Lobby vor sich hin als etwa den Hoteleingang zu überwachen. Nicht einmal eine grössere Militärparade würde den guten Herren aus dem Schlaf reissen. Sollte er sich dann doch einmal in Bewegung setzen, dann tut er dies mit ungefähr dem Tempo einer Wanderdüne. Des Weiteren wäre da die charmante Restaurantbesitzerin von nebenan, auch genannt „der Zerstörer“. Eine schillernde Dame mittleren Alters mit einer Bikini-Zone grösser als Liechtenstein und dem Charme einer Flughafentoilette. Nicht zu vergessen auch die „skeptische Nina“, welche so was wie die Quartiermutter zu sein scheint. Die gute Frau sieht uns zwar jeden Abend vorbeigehen, doch ihr Blick bleibt skeptisch und bitterböse. Zu guter Letzt ist da natürlich noch Priska vom Internetcafé, aber die sollte euch ja bereits bekannt sein. Letztere scheint übrigens gerade beurlaubt zu sein. Vielleicht besucht sie aber auch nur ein Weiterbildungsseminar in „how to ignore my clients in a really rude way“.
Nein nein, wir wollen mal nicht so sein, es gefällt uns wirklich hier im Hong Sen und wir möchten keinen der oben erwähnten Personen hier missen. Die nehmen wir alle mit nach Hause!
Das verdiente Essen
Das Mittagessen an der Uni beschränkt sich in unserem Fall derweil auf einen übergrossen Joghurt-Becher und mehrere Packungen Kartoffelchips. Alles andere im winzigen Uni-Shop macht entweder den Anschein als wäre es aus China (Moment, wir sind in China!) oder es ist schlichtweg undefinierbar. Kurz: wir sterben fast vor Hunger am Abend! An diesem Freitag soll es also das People 7 in der „French Concession“ sein. „It doesn’t get any cooler than this“, behauptet Lonely Planet und „it doesn’t get any more complicated than this“, behaupten wir. Das Restaurant ist in Etwa gleich schwer zu finden wie eine natürliche Stelle im Gesicht von Barbara Streisand, schlichtweg unmöglich. Nur durch lösen eines originellen Rätsels öffnet sich die Tür zum Restaurant. Nach mehreren Versuchen unsererseits, eine der beiden Eingangstüren zu öffnen, nähert sich eine amerikanische Reisegruppe mit dem gleichen Vorhaben. Der Vorteil an amerikanischen Reisegruppen ist ja, sie sind meist noch dümmer als man selbst, man muss sich also kaum blamieren (der Vorteil an Schweizer Reisegruppen übrigens: es gibt keine!). Nun, das Rätsel war irgendwann gelöst und die Tür zum People 7 öffnete sich von selbst. Das Restaurant ist sehr dezent und dunkel gestaltet und „it really doesn’t get any cooler than this“. Von der Bar zu den Toiletten, über die schwarzen Stäbchen bis hin zur schwarzen Stoffserviette, alles ist irgendwie ziemlich cool. Nach dem Essen befinde ich mich in einem postkoitalen Zustand und der Long Island Ice Tea danach setzt noch einen drauf. Leicht angeduselt geht’s zurück ins Hotel wo ich die Tür zur 513 zu öffnen versuche, was allerdings nicht klappt, was eventuell daran liegt, dass ich eigentlich in der 511 einquartiert bin. Der Chinese von der 513 lässt mich das auch lautstark wissen, worauf ich dann doch noch in der 511 lande. Man kann ja auch schwierig tun J
Nervous breakdown
Nun, ich würde mich generell nicht als cholerischen Menschen bezeichnen (obwohl da meine treue Reisebegleitung Manu natürlich ganz anderer Meinung ist, aber dies kann er selber darstellen). Aggressiv werde ich ja üblicherweise nur bei umweltbewussten, Grüntee-trinkenden Sozialpädagogen, bei notorischen Korrekt-Autofahrern oder bei Musik von Stefan Eicher. Diese Woche in der U-Bahn aber, konnte ich mich vor Aggression kaum halten. Ein geschäftstüchtiger Chinese hatte sich fest vorgenommen, mich während der 30-minütigen Fahrt ins Zentrum in den Tod zu reden. Nach anfänglichem Smalltalk in unverständlichem Englisch wollte der dann plötzlich meine Telefonnummer haben und mich ständig davon überzeugen, in seinen eigenhändig gegründeten Badminton-Club beizutreten oder mit ihm irgendwelche krummen Geschäfte abzuwickeln. In Gedanken überlegte ich mir ein Würgeverfahren mit meinem I-pod-Kabel, welches den jungen Mann am schnellsten aus dem Verkehr ziehen würde. Ok, ich neige zur Übertreibung, aber 30 Minuten können schon eine sehr, sehr lange Zeit sein.
Weitere Highlights dieser Woche:
Streifzug durch ca. 5 Shopping-Malls in „Wujiaochang“ auf der Suche nach einem Gym // Dinner im „1001 Nights“ incl. Arabischer Bauchtanzshow // günstigstes Nachtessen aller Zeiten „Shanghai Noodles“ // Dessert bei Häägen Dazs (zum dreifachen Preis wie das vorherige dinner bei „Shanghai Noodles“ // Besuch im Jing-An Tempel // Fake-DVD-Store „Hollywood“ (Ja, Glück ist käuflich!) // teuerstes Nachtessen aller Zeiten im „Va Bene“ at Xintiandi // Comedy-Show in der „Glamour Bar“
So, und jetzt entschuldigt mich, Assunçion ist gerade reingestürmt und will mein Bett frisch beziehen. Bis nächste Woche – Zài jiàn!
Schulwand
Samstag, 1. März 2008
Manu erzählt:
Alcatraz
Doppel-Odlo-beschichtet, schläfrig und mit schlurfenden Schritten begann der Montagmorgen um 6 Uhr 20. „Haubi Songs“ von Züri West begleitete mich musikalisch im Schaddabas zu unserem ersten Schulbesuch an der Uni. Jedoch hatte ich nicht mal ne „Haubi Ahnig“, was uns da erwartet. Economics und danach International trade business, exgüüsemua hä! Die Fortsetzung von intertemporalen Optimierungen durch Kapitalakkumulation und Konsumverzicht? Die Schulzimmereingänge sind mit Gitterstäben versehen. Ich sah mich nach Studenten um, die eine Kette mit einer Kugel am Fuss tragen, fand aber keine. Der Saal füllte sich. Die Spannung stieg. Die Temperatur sank (sunk sinkte sankte senkte versenkte?) auf schätzungsweise 2 Grad. Ich spürte meine Beine nicht mehr, sah meinen Atem. „ich kann tote Menschen sehen“. Der Dozent Mr. Huang eröffnete die Vorlesung. „Mmmm Pause mmm … Wuaat does Economics mean?“ stammelte er in gebrochenen Englisch. „try to siiiiink“ sagte er, als sich niemand meldete. Natürlich wollte er sich nicht schon nach ein paar Minuten vor den zwei Schweizern blamieren, also rufte er in bestimmtem Ton einfach einen Namen auf. „fenzhongschüenhongzhang“. Das zierliche Mädchen stand ruckzuck auf (das ist so üblich an der Uni, um dann die Antwort zu geben) und flüsterte mit gesenktem Kopf und in noch schlechterem Englisch „ I siiiink …bschschsch) Marc hatte mittlerweile seine eigene Lektüre aufgeschlagen und nutzte die Zeit anderweitig (clever). Ich war also auf mich alleine gestellt. Mentale Wärme musste erzeugt werden. Sonne, Strand, Rum..rumba, ich tanzte ums Feuer. Bleibt nur zu hoffen, dass die restlichen Fächer interessanter werden und der Frühling nicht lange auf sich warten lässt.
Dragonfly
Allerhöchste Zeit, das Qi wieder auszubalancieren. Um unsere Meridiane wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, entschieden wir uns für das Dragonfly Massage Center. Am Eingang werden wir freundlich empfangen, Tee wird serviert. Wir wählen eine einstündige „Kung-Fu“-Massage (20 CHF). Meine Masseuse hat Pranken wie ein Tischgrill und knetet, als gehe es um Leben oder Tod. Locker flockig aus dem Salon zum Nachmittagstee und zu Snacks in die wunderschöne Lobby des West-inns. Die virtuosen Klänge des Pianos lassen die Torturstunden in der Schule in den Hintergrund rücken. Das Süsse ist nicht so süss ohne das Saure Baby.
Priska – nominiert für die Mitarbeiterin des Monats
Allgemein durften wir die Erfahrung machen, dass die meisten Chinesen sehr hilfsbereite, freundliche, liebenswerte und lustige Zeitgenossen sind. Priska, die Bedienung im nahegelegenen, viel zu dunklen und heruntergekommenen Internetcafe, schwimmt da gegen den Strom. Diese Frau hat einen toten Winkel im Gesicht. Ohne mit der Wimper zu zucken nimmt sie jeweils die Yuen entgegen und schmeisst uns dann mit gekonnter Gleichgültigkeit und der Ausstrahlung einer Bratpfanne eine Karte entgegen. Ihr glaubt, es sei schwierig, rückwärts mit Gewichten an den Beinen den Mount Everest zu besteigen? Dann versucht mal dieser Frau ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Vielleicht schaffe ich es mit einer chinesischen Bestellung eines Bigmac-Menü medium mit Pommes Frites und einer Coke (eine Cola in chinesisch gesprochen: Ikö kökö kölö). Wir tun unser Bestes!
Class 2008
Unser Stundenplan wurde mit den Fächern „Chinese language“ und „Chinese culture“ ergänzt, jeweils einen Nachmittag. Hier spielen sich filmreife Szenen ab. Im Chinesisch-Unterricht müssen Marc und ich für uns alleine lernen, da die anderen schon mindestens ein halbes Jahr chinesisch lernen. Unsere Lehrerin ist eine verwirrte, chaotische, zerstreute, aber lustige und liebenswerte Dozentin. Plötzlich erscheint sie wieder an unserem Pult, blättert wie wild in unseren Büchern, verliert hie und da ein „aaaaah“ oder ein „mmm“, wechselt dann plötzlich wieder das Thema, oder läuft mitten im Satz davon und schmeisst dabei ungeschickt und ungewollt irgendetwas vom Tisch oder stolpert über den Treppenabsatz. Unsere Chinesisch-Klasse besteht aus Fatima (Mama africana, aus Sierra Leone, hat das Temperament eines Stiers), Fahmi und sein Bruder (Halb Tansania, halb Oman, studieren insgesamt 3 Jahre in China), Joseph (Tansania, schon länger hier, spricht ziemlich gut chinesisch) und 5 Leuten aus der Mongolei (eine davon heisst Erika). Erika singt für ihr Leben gern und zögert auch nicht, plötzlich mitten in der Stunde damit anzufangen oder zu telefonieren. Hier prallen Kulturen aufeinander. Wunderbar. In ein paar Tagen findet an der Schule ein Fussballspiel World allstars gegen China statt. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und werde die Schweiz in diesem bedeutenden Spiel möglichst gut vertreten.
Sonstige Highlights der Woche
Besuch in der CJW-Bar, im 50. Stock mit Aussicht über Shanghai, sensationelle Live-Jazz-Band. Herumstöbern in einer Einkaufsstrasse mit hunderten kleinen Läden. Besuch im Museum Shanghai urban planning, mit dem grössten Modell Asiens. Essen in Xiantiandi (charmantes Viertel mit Bars und Restaurants) mit anschliessendem Barbesuch im TMSK, eine wunderschöne Bar mit Wasserbecken, in dem Glasrosen schwimmen. Riesenportion in einem billigen chinesischen Restaurant (mit Handzeichen verständigt) für umgerechnet 5.- pro Person inkl. Ikökökökölö. Morgenessen im Paul, französisches Café mit wunderbarem Brot. Der Frühling hat begonnen, spüre meine Beine wieder in der Schule.
Lobby des West-inns
Alcatraz
Doppel-Odlo-beschichtet, schläfrig und mit schlurfenden Schritten begann der Montagmorgen um 6 Uhr 20. „Haubi Songs“ von Züri West begleitete mich musikalisch im Schaddabas zu unserem ersten Schulbesuch an der Uni. Jedoch hatte ich nicht mal ne „Haubi Ahnig“, was uns da erwartet. Economics und danach International trade business, exgüüsemua hä! Die Fortsetzung von intertemporalen Optimierungen durch Kapitalakkumulation und Konsumverzicht? Die Schulzimmereingänge sind mit Gitterstäben versehen. Ich sah mich nach Studenten um, die eine Kette mit einer Kugel am Fuss tragen, fand aber keine. Der Saal füllte sich. Die Spannung stieg. Die Temperatur sank (sunk sinkte sankte senkte versenkte?) auf schätzungsweise 2 Grad. Ich spürte meine Beine nicht mehr, sah meinen Atem. „ich kann tote Menschen sehen“. Der Dozent Mr. Huang eröffnete die Vorlesung. „Mmmm Pause mmm … Wuaat does Economics mean?“ stammelte er in gebrochenen Englisch. „try to siiiiink“ sagte er, als sich niemand meldete. Natürlich wollte er sich nicht schon nach ein paar Minuten vor den zwei Schweizern blamieren, also rufte er in bestimmtem Ton einfach einen Namen auf. „fenzhongschüenhongzhang“. Das zierliche Mädchen stand ruckzuck auf (das ist so üblich an der Uni, um dann die Antwort zu geben) und flüsterte mit gesenktem Kopf und in noch schlechterem Englisch „ I siiiink …bschschsch) Marc hatte mittlerweile seine eigene Lektüre aufgeschlagen und nutzte die Zeit anderweitig (clever). Ich war also auf mich alleine gestellt. Mentale Wärme musste erzeugt werden. Sonne, Strand, Rum..rumba, ich tanzte ums Feuer. Bleibt nur zu hoffen, dass die restlichen Fächer interessanter werden und der Frühling nicht lange auf sich warten lässt.
Dragonfly
Allerhöchste Zeit, das Qi wieder auszubalancieren. Um unsere Meridiane wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, entschieden wir uns für das Dragonfly Massage Center. Am Eingang werden wir freundlich empfangen, Tee wird serviert. Wir wählen eine einstündige „Kung-Fu“-Massage (20 CHF). Meine Masseuse hat Pranken wie ein Tischgrill und knetet, als gehe es um Leben oder Tod. Locker flockig aus dem Salon zum Nachmittagstee und zu Snacks in die wunderschöne Lobby des West-inns. Die virtuosen Klänge des Pianos lassen die Torturstunden in der Schule in den Hintergrund rücken. Das Süsse ist nicht so süss ohne das Saure Baby.
Priska – nominiert für die Mitarbeiterin des Monats
Allgemein durften wir die Erfahrung machen, dass die meisten Chinesen sehr hilfsbereite, freundliche, liebenswerte und lustige Zeitgenossen sind. Priska, die Bedienung im nahegelegenen, viel zu dunklen und heruntergekommenen Internetcafe, schwimmt da gegen den Strom. Diese Frau hat einen toten Winkel im Gesicht. Ohne mit der Wimper zu zucken nimmt sie jeweils die Yuen entgegen und schmeisst uns dann mit gekonnter Gleichgültigkeit und der Ausstrahlung einer Bratpfanne eine Karte entgegen. Ihr glaubt, es sei schwierig, rückwärts mit Gewichten an den Beinen den Mount Everest zu besteigen? Dann versucht mal dieser Frau ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Vielleicht schaffe ich es mit einer chinesischen Bestellung eines Bigmac-Menü medium mit Pommes Frites und einer Coke (eine Cola in chinesisch gesprochen: Ikö kökö kölö). Wir tun unser Bestes!
Class 2008
Unser Stundenplan wurde mit den Fächern „Chinese language“ und „Chinese culture“ ergänzt, jeweils einen Nachmittag. Hier spielen sich filmreife Szenen ab. Im Chinesisch-Unterricht müssen Marc und ich für uns alleine lernen, da die anderen schon mindestens ein halbes Jahr chinesisch lernen. Unsere Lehrerin ist eine verwirrte, chaotische, zerstreute, aber lustige und liebenswerte Dozentin. Plötzlich erscheint sie wieder an unserem Pult, blättert wie wild in unseren Büchern, verliert hie und da ein „aaaaah“ oder ein „mmm“, wechselt dann plötzlich wieder das Thema, oder läuft mitten im Satz davon und schmeisst dabei ungeschickt und ungewollt irgendetwas vom Tisch oder stolpert über den Treppenabsatz. Unsere Chinesisch-Klasse besteht aus Fatima (Mama africana, aus Sierra Leone, hat das Temperament eines Stiers), Fahmi und sein Bruder (Halb Tansania, halb Oman, studieren insgesamt 3 Jahre in China), Joseph (Tansania, schon länger hier, spricht ziemlich gut chinesisch) und 5 Leuten aus der Mongolei (eine davon heisst Erika). Erika singt für ihr Leben gern und zögert auch nicht, plötzlich mitten in der Stunde damit anzufangen oder zu telefonieren. Hier prallen Kulturen aufeinander. Wunderbar. In ein paar Tagen findet an der Schule ein Fussballspiel World allstars gegen China statt. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und werde die Schweiz in diesem bedeutenden Spiel möglichst gut vertreten.
Sonstige Highlights der Woche
Besuch in der CJW-Bar, im 50. Stock mit Aussicht über Shanghai, sensationelle Live-Jazz-Band. Herumstöbern in einer Einkaufsstrasse mit hunderten kleinen Läden. Besuch im Museum Shanghai urban planning, mit dem grössten Modell Asiens. Essen in Xiantiandi (charmantes Viertel mit Bars und Restaurants) mit anschliessendem Barbesuch im TMSK, eine wunderschöne Bar mit Wasserbecken, in dem Glasrosen schwimmen. Riesenportion in einem billigen chinesischen Restaurant (mit Handzeichen verständigt) für umgerechnet 5.- pro Person inkl. Ikökökökölö. Morgenessen im Paul, französisches Café mit wunderbarem Brot. Der Frühling hat begonnen, spüre meine Beine wieder in der Schule.
Lobby des West-inns
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