Manu erzählt:
Hotel Drama
Gibt es einen besseren Ort als den öffentlichen, um jegliche Selbstkontrolle zu verlieren und ein Drama zu veranstalten? Das Hongsen Hotel scheint ein beliebtes Plätzchen für unkontrollierbare Wutausbrüche zu sein. Der Sonntagabend begann friedlich, doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Wie aus dem Nichts beginnt eine Frau mit krächzender Stimme schreiend ihrem Unmut Luft zu machen. Sie macht keine Pause zwischen den Sätzen. Eine andere Frau stimmt mit ein in den Chorus. Türen werden geschlagen. Durch das Guckloch kann ich beobachten, wie wild diskutiert und gefuchtelt wird. Ein Mann versucht die beiden zu beruhigen, ohne Erfolg. Nach einer halben Stunde bin ich mit meiner Geduld am Ende, öffne die Türe und werde Zeuge, wie die einte Frau im Pyjama versucht das Hotelzimmer dem Erdboden gleich zu machen. Der Mann versucht sie zurückzuhalten, jedoch ohne Erfolg. Er erhebt die Hand gegen sie. Ich war bereit einzugreifen und dem ganzen ein Ende zu setzen. Er schlägt sie jedoch nicht. Stattdessen haben mich die Furien bemerkt. Mein schon beinahe flehend klingendes„could you just cut it,…. please?“ wird ignoriert und wahrscheinlich nicht verstanden. Runde 2. Fräulein 1, mit der Statur und der Grazie von Werner Günthör, schafft es, den grossen Plastikwasserbehälter aus der Halterung zu lösen und ihn mit einem mir durch Mark und Bein fahrenden Schrei quer durchs Zimmer zu schleudern. Fräulein 2, mit Beinen, die an Palastsäulen erinnern, greift in Wrestling-Manier an und setzt zum finalen Punch an. Der Mann kann sie schlussendlich trennen. Fräulein 2 gewinnt nach Punkten, verlässt fuchsteufelswild und fluchend das Zimmer. Ruhe. Endlich. Doch 10 Minuten später, startet Runde 3. Wieder wird gerangelt, geschrien und mit Gegenständen geworfen. Hat hier jemand Valium?
Musikunterricht
Um uns jeweils auf die bevorstehende Chinesischlektionen einzustimmen, spielt unsere verrückte Dozentin jedes Mal denselben chinesischen Song (den Erika natürlich auswendig singt, auch wenn der Song gerade nicht läuft). Da wir dieses Stück Musikgeschichte aufgezwungen bekommen (iuuu liiike siiis sooong?...mmm yeeeeeeeah, i mean…) wollen wir natürlich wissen, was dahinter steckt. Also macht sich die Lehrerin an die Englisch-Übersetzung und überreicht uns diese stolz. Hier ein kleiner Ausschnitt (obwohl das schon fast der ganze Song ist):
„This years a person
Wind crosses and the rain also walk
Have the tear and have the mistake also
Remember what they should uphold
Only a cup of liquor in a lifetime feeling”
Selbstverständlich schwer beeindruckt von dieser überraschend tiefgründigen lyrischen Hochleistung, singen wir nun jedes mal lauthals mit. Erika freut es.
What the hell?
Die Woche begann mit unerfreulichen Neuigkeiten, einem Gerücht, dass besagte, dass ausländische Studenten das Land verlassen müssten. In Untergangsstimmung sahen wir uns schon die Zelte abbrechen und die Fahnen einrollen. Durch Recherchen im Internet erfuhren wir dann, dass, trotz vom Staat gegenteilig behauptenden Aussagen, keine Multiple-entry-Visas mehr ausgestellt würden. Diese Tatsache macht uns einen Strich durch unsere Rechnung, da wir ein nur 3-Monatsvisum beantragt haben und vor dessen Ablauf in Hong Kong ein Multiple-entry-Visum erstellen wollten um nach Belieben ein-und ausreisen zu können. Wir mussten also sichergehen, in zwei Wochen ein Visum in Hong Kong zu bekommen, sei es nur ein single-entry-visa, oder andernfalls unseren schon bezahlten Hong Kong- Trip abzublasen. Nach nervenaufreibenden organisatorischen Massnahmen und mehreren Telefonaten mit Visa-agencys in Hong Kong, sind wir jetzt ziemlich sicher, ein 1-Monatsvisum zu bekommen, andernfalls können wir von Hong Kong nicht mehr nach Shanghai einreisen, was katastrophale Folgen hätte. Zurück von Hong Kong müssen wir jeden Monat ein neues Visum lösen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Der Grund für diese neuen Restriktionen seien anscheinend die Olympischen Spiele und die damit verbunden Terrorgefahr.
Be my Guess
Am Freitag, nach Schulschluss, wurden wir von unserer Chinesisch-Lehrerin „Wolke im Morgenrot“ in ein Chinesisches Restaurant eingeladen. Verschiedene, noch nie gesehene und vorher noch nie gekostete (und besser niemals gekostete) Spezialitäten wurden serviert. Kellner liefen mit lebenden Schildkröten herum, präsentierten sie den Gästen wie eine Flasche Wein an den Tischen, bevor sie dann mit ihnen in der Küche verschwanden. Armer Donatello. Nach etwa einem Hektoliter Tsingtao-Bier, verabschiedeten wir uns zwischenzeitlich von unseren dänischen Mitstudenten um dann einen kurzen Zwischenstop im Hotel einzulegen, bevor dann die „hed kendy“-Party in der Bar Rouge auf uns wartete. Wir treffen Demoiselle Flamboyant und ihre Freunde, sowie drei von unseren dänischen Kollegen, Hans, Marco und Jens. Die Jungs sind ein halbes Jahr länger da wie wir, scheinen aber immer noch nicht genug vom Nachtleben in Shanghai zu haben. Wir treffen Steven, ein Freund von Steven (der immer beduselt schreit: „you got to drink mooore“) , der wiederum Carol’s …whatever. Mittlerweile kennen wir etwa vier Carols und drei Stevens. Dieser besagte Steven jedenfalls arbeitet für ESPN uns lädt uns zu den X-games in Shanghai ein nächstes Wochenende. Gerade im Gespräch, wird mir plötzlich schwindlig, Schweissausbrüche folgen. Irgendetwas hat mir den Magen verdorben, was für mich zu einem abrupten Ende des Abends führt. Leicht hechelnd und bleich verabschiede ich mich und mache mich auf den Heimweg, ahnend, dass eine ziemlich unangenehme Nacht folgen würde. Marc und Jens erteilt am nächsten Morgen das gleiche Schicksal. Eventuell war es der Mix aus Tsingtao-Bier, Chilli, irgendwelchen unbekannten scharfen Algen, Eiern, Dom Pérignon und Melonenschnitze.
Den Samstag verbrachten wir, keinen Finger rührend und saftschlürfend, in der angenehmen Frühlingssonne auf dem belebten Vorplatz des Starbucks in Xintiandi. Am Abend waren wir zur Backstage-Party von Guess, dem bekannten Fashion-Brand, im Club Volar eingeladen. Nach einem kulinarischen Abstecher im Azul (in dem uns eine Inderin aus Schweden in perfektem Züridütsch anspricht!?) gesellten wir uns zur eingeladenen Gesellschaft, die schon ungeduldig auf die bevorstehende Fashion-Show wartete. Fotografen und Kameramänner schwirrten geduckt durch die spärlich beleuchteten Räume des Volars, bereit für die grosse Show. Wir nahmen unseren Platz an einem Tisch in der vordersten Reihe ein (Wir sind uns schon gar nichts mehr anderes gewohnt). Nach einem „kleinen“ apéritif starete die Show. Zwei männliche und zwei weibliche Models führten posensicher die neue Jeans-Kollektion im Blitzgewitter vor. Nach der Show wird getanzt und getrunken, ein chinesischer Dj legt Hip Hop auf. Um 4 Uhr morgens verlassen wir müde das Volar. Im Hongsen Hotel hat man schon zu arbeiten begonnen. Die Rezeptionsdame in voll montierter Uniform hat noch ein mitfühlendes Lächeln für uns übrig. Guet Nacht am sächsi.
Am heiligen Sonntag um zwölf Uhr, in aller Herrgottsfrüh also, war es dann Assuncion, ungehalten an die Tür pochend und mit lautem Getöse in mein Zimmer einfallend, die mich, ohne Rücksicht auf Verluste, aus meinen Träumen riss. Sie sollte uns langsam kennen, nach all den Sonntagen, die wir noch nie früh begonnen hatten. Nach einem quengelnden, grunzenden Laut meinerseits, zog sie sich glücklicherweise wieder zurück. Ein paar Minuten später zischten Feuerwerksraketen durch die Luft, dessen knallende Laute natürlich durch die undichten Fenstern meines Zimmers drangen. Ok, ich bin ja wach.
Playing pool mit unseren dänischen Kollegen
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1 Kommentar:
hey manu, dini fötelis sind super! weiter so mit dim Talent.. wünsch euch witerhin vil spasss be de chinese.. gruesss ilir
PS: gits vil lüt wo es bruce-lee-costume umeträge im alltag??
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